Gemeinsam wohnen

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Deutschland altert und viele Menschen gehen einsam statt gemeinsam durchs Leben. Gleichzeitig wünschen sich immer mehr Menschen, denen ihre Häuser zu groß, die Tage zu lang oder der Alltag zu stressig werden, alternative Wohnformen, innerhalb derer sie mehr als die Summe ihrer Teile sein können. Ina Hiester hat mit vier Frauen gesprochen, die anders wohnen – an Orten, an denen Gemeinschaft großgeschrieben wird.

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Etwa 17 Millionen Deutsche leben allein in einem Einpersonenhaushalt; jedes fünfte Kind wächst bei einem Elternteil auf und jede zweite Person in Deutschland ist älter als 45 Jahre. Die traditionelle Großfamilie, in der man sich selbstverständlich gegenseitig unterstützt und auffängt, ist derweil eine Seltenheit geworden. Dabei ist in Zeiten wie diesen, in denen Krieg, Energieknappheit, Inflation, Klima- und Umweltkrisen in so vielen von uns ein bedrückendes Gefühl der Unsicherheit auslösen, sozialer Zusammenhalt wichtiger denn je. Ein Leben in Gemeinschaft kann uns die soziale Sicherheit und Verbundenheit vermitteln, die wir für ein gutes Leben brauchen. Und ist für viele zugleich der Weg zu einem nachhaltigeren Alltag, in dem mehr geteilt und weniger neu gekauft werden muss.

Zur rechten Zeit am rechten Ort

Obwohl es Tanja F. (54) aus beruflichen Gründen nach München verschlagen hatte, war sie im Herzen stets ein Nordlicht geblieben. Als sie 2009 in einer Annonce erfuhr, dass ein Wohnprojekt am Hamburger Stadtrand neue Mitbewohner*innen suchte, waren sie und ihr Mann gleich begeistert. Er war in einer Großfamilie aufgewachsen, sie hatte viele Jahre im Internat und in Wohngemeinschaften gelebt. „Wir wussten beide, dass Gemeinschaft zu uns passt. Da unsere Tochter kurz vor dem Start in den Kindergarten stand, war der Zeitpunkt für einen Wohnort- und Lebenswandel perfekt“, erzählt sie. Ein Jahr später zog die Familie in das Wohnprojekt Wilde Rosen ein. Das ehemalige Rosenzucht-Gelände des Max-Planck-Instituts gehört einer Baugemeinschaft. Diese hat hier in 70 Wohneinheiten Platz für etwa 200 Menschen geschaffen, die mehr wollen, als bloß Nachbar*innen zu sein. In zwei Häusern wohnen junge, geistig und körperlich beeinträchtigte Menschen mit Betreuungsbedarf, die in verschiedenen Werkstätten in der näheren Umgebung beschäftigt sind.

Auf Gut Mydlinghoven bei Düsseldorf zählen Helga N. (81) und ihr Mann zur sogenannten Ursprungsgruppe der Gemeinschaft Wir vom Gut. Diese hat es möglich gemacht, dass in dem ehemaligen Gestüt seit 2016 Menschen verschiedener Lebenslagen in mehr als 40 Wohneinheiten zusammenleben können. Das Rentnerehepaar, das zuvor in einem Einfamilienhaus gewohnt hatte, wollte nicht allein alt werden. „Stattdessen wünschten wir uns fürs Alter lebendige soziale Kontakte – auch zu jüngeren Generationen“, sagt Helga N. Zum Beispiel zu Leonie S., die vor einem Jahr mit ih