Reinen Wein einschenken

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Bio- und Naturwein

Weinberge haben etwas Idyllisches. Bei genauerer Betrachtung bleibt davon allerdings nicht viel übrig: Kaum eine Kulturpflanze wird so häufig gespritzt wie die Reben. Im ökologischen Weinanbau wird umweltschonender gearbeitet. Doch beim Ausbau des Getränks im Keller kommen auch hier etliche Hilfsstoffe zum Einsatz. Einen radikaleren Ansatz vertritt die Naturwein-Szene. Birgit Schumacher verrät, wo Sie handwerklich gut erzeugten Wein bekommen, der von Weinbergen stammt, auf denen Blumen stehen und Insekten leben.

FOTOS: Maria | adobestock; privat

Bei der Beschreibung „fruchtig“ sträuben sich Martin Kössler die Nackenhaare. „Wenn ein Wein als fruchtig bezeichnet wird, hat der Winzer ordentlich mit Hilfsstoffen nachgeholfen“, kritisiert er unverhohlen. Vor deutlichen Worten schreckt der Mann mit dem grauen Lockenkopf nicht zurück, ganz im Gegenteil: „Das ist eine verlogene Branche.“ Dabei lebt Kössler vom Wein: Vor 40 Jahren hat er gemeinsam mit drei Freunden die Nürnberger K&U-Weinhalle gegründet, die heute ein gut laufender Versandhandel ist. Allerdings legt Kössler Wert auf Naturbelassenheit – und das nicht nur beim Anbau der Reben, sondern auch bei der Verarbeitung im Keller.

Beides ist bislang eher die Ausnahme als die Regel. Weinreben werden so häufig mit Pestiziden gespritzt wie kaum eine andere Kulturpflanze: gegen Schädlinge und Unkräuter, aber vor allem gegen Pilzerkrankungen wie den Echten und den Falschen Mehltau. Diese Erreger kamen im 19. Jahrhundert nach Europa, als zu Versuchszwecken nordamerikanische Reben nach Frankreich eingeführt wurden. Sie verbreiteten sich schnell in allen Weinanbaugebieten und sorgen nach wie vor für hohe Ertragseinbußen, wenn nicht gegengesteuert – ergo gespritzt – wird. Im fertigen Wein sind die chemischen Spritzmittel meist nicht mehr nachweisbar, für die menschliche Gesundheit besteht also keine unmittelbare Gefahr. Doch die Weinberge werden so zu riesigen Monokulturen, wo kein Platz ist für Beikräuter, Blumen und Insekten. Natur? Fehlanzeige.

MARTIN KÖSSLER ist eigentlich studierter Werkstoffingenieur, doch Spaß am Wein hatte er schon immer. So machte er das Hobby zum Beruf und gründete vor 40 Jahren die K&U-Weinhalle in Nürnberg – bereits damals als Protest gegen die zunehmende Effizienzsteigerung im Weinberg, bei der seiner Ansicht nach viel Geschmack auf der Strecke bleibt. Daran hat sich nichts geändert, Kössler streitet noch immer für mehr Qualität und naturnahen Weinbau.