Kleine Unterschiede, große Wirkung

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Viele Erkrankungen treten je nach Geschlecht unterschiedlich häufig auf. Erklärungen dafür finden sich nicht nur im Lebensstil, sondern auch in der Wirkung von Geschlechtschromosomen und Hormonen.

RUTH EISENREICH (Text) und RICARDO RIO RIBEIRO MARTINS (Illustrationen)

Frauen haben eine stärkere Immunantwort als Männer, etwa auf Viren.
bdw-Illustration/Ricardo Martins; akr11_st/stock.adobe.com

Worin unterscheiden sich die Körper von Frauen und Männern, worin gleichen sie sich? Die Antwort scheint einfach: Ihre Geschlechts- und Fortpflanzungsorgane sind unterschiedlich, alle anderen Organe gleich.

Doch in den letzten 30 Jahren hat die Medizin festgestellt: So einfach ist es nicht. Forschende haben Geschlechterunterschiede im Herzen gefunden, in der Leber und in der Niere. Sie haben festgestellt, dass männliche Mäuse Schmerz auf anderen Wegen verarbeiten als weibliche. Dass männliche Ratten unter den gleichen Laborbedingungen häufiger und schneller Tumore entwickeln als weibliche. Und dass Geschlechtshormone das Immunsystem, die Verdauung und die Blutgefäße beeinflussen können.

„Schon ein neugeborenes Mädchen hat eine stärkere Immunantwort auf Krankheitserreger als ein gleichaltriger Junge“, sagt etwa Marcus Altfeld. Er leitet das Institut für Immunologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt „Geschlechtsspezifische Unterschiede in Immunantworten“. Er erforscht, welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass Frauen im Durchschnitt ein aktiveres Immunsystem haben als Männer. Warum also Männer häufiger schwere Covid-19-Verläufe haben als Frauen, Jungen im Kita-Alter unter dem RS-Virus stärker leiden als gleichaltrige Mädchen und sogar die Kindersterblichkeit aufgrund von Durchfallerkrankungen und Infektionen der Atemwege bei Jungen höher ist.

Altfeld erhofft sich auch Aufschluss darüber, warum Frauen deutlich häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen sind als Männer. Sie machen um die 60 Prozent der an Long Covid Erkrankten aus, bei Multipler Sklerose sind es etwa zwei Drittel, bei rheumatoider Arthritis etwa drei Viertel und bei der Schilddrüsenerkrankung Hashimoto 80 bis 90 Prozent. Warum haben HIV-infizierte Frauen in den ersten Wochen bis Monaten eine niedrigere Viruslast als Männer, dann aber im Verhältnis zur Viruslast schneller steigende Entzündungsparameter und einen rasanteren Krankheitsverlauf? Und warum haben Frauen nach Impfungen oft stärkere lokale Reaktionen, aber auch mehr Anti

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