Unidentifizierbare supraleitende Objekte

8 min lesen

Einige überzogene Hypes und handfeste Skandale haben ein schlechtes Licht auf die Forschung mit Hochtemperatursupraleitern geworfen. Was läuft schief auf dem Gebiet?

von DIRK EIDEMÜLLER DIRK EIDEMÜLLER ist Physiker und Wissenschaftsjournalist in Berlin. Die Suche nach Raumtemperatursupraleitern fesselt ihn seit vielen Jahren.

Das Bild eines über einem Magneten schwebenden Werkstoffs namens LK-99 sorgte kürzlich für Furore.

In den letzten Monaten haben wiederholt Berichte die Runde gemacht, dass endlich Supraleiter in Reichweite kommen, die auch bei normalen Umgebungsbedingungen funktionieren. Solche Materialien wären der „Heilige Gral“ der Materialforschung. Eine ganze Reihe technischer Durchbrüche wären möglich, wenn endlich ein Supraleiter gefunden würde, der bei Raumtemperatur und unter normalem Atmosphärendruck widerstandsfrei Strom leitet.

Damit ließe sich nicht nur elektrische Energie verlustfrei von einem Ort zum anderen transportieren, sondern auch Leistungsverluste würden dadurch vermieden – samt einer entsprechenden Vermeidung der Emission von Treibhausgasen. Man könnte außerdem mit einem solchen Material enorm starke Magnetfelder erzeugen und dadurch bei vielen Anwendungen teure Komponenten und Werkstoffe wie Metalle aus der Gruppe der Seltenen Erden einsparen. Zum Beispiel in der Medizin und im Transportwesen würde ein Raumtemperatursupraleiter vermutlich eine technologische Revolution auslösen.

Doch bislang zeigt sich die Natur widerspenstig: Selbst die besten Hochtemperatursupraleiter – sogenannte Kuprate – funktionieren nur bei ziemlich tiefen Temperaturen und müssen mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden. Der Rekord für Supraleitung unter Normaldruck liegt bei minus 135 Grad Celsius und ist rund 30 Jahre alt. Um bei höheren Temperaturen Supraleitung zu erzielen, muss man etwa mit einer Diamant-Stempelpresse extrem hohen Druck anlegen, um dadurch die Eigenschaften der Elektronenorbitale im Material zu verändern. Das ist derzeit Konsens in der Wissenschaft – wobei über viele Details gestritten wird und manche der Suche nach einem besser nutzbaren supraleitenden Material beteiligten Forscher sich auch als Berufsskeptiker betätigen. Das gehört zum Betrieb der Wissenschaft abseits des öffentlichen Rampenlichts immer mit dazu. Dennoch sind in den letzten Jahren nicht nur in den sozialen Medien Meldungen über sensationelle Entdeckungen neuer Hochtemperatursupraleiter aufgetaucht. Auch in renommierten Fachmagazinen wurden wiederholt spektakulär er

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel