„Alkohol? Für mich nie wieder!“

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20 Jahre bestimmten Exzesse ihren Alltag. Als Ruth Niederkofler (53) nicht mehr tiefer fallen konnte, schaffte sie den Absprung aus der Abhängigkeitsspirale. Eine Reise in die Vergangenheit …

Heute arbeitet Ruth Niederkofler als Genesungsberaterin für psychisch Kranke. Sie hilft anderen, sich vor der Sucht zu schützen bzw. ihr zu entfliehen
FOTOS: PR, PRIVAT (2), ROBERT MAIR

Was möchte man als junges Mädchen sein? Schüchternes Entlein oder mutiger Schwan? Die Antwort liegt auf der Hand. Mit 13 bemerkte ich, dass Alkohol die wundersame Kraft hatte, aus mir einen coolen Teenager zu machen. Plötzlich konnte ich auf andere zugehen, war locker und witzig. Die bösen Hänseleien in der Schule und die aggressive Stimmung zu Hause – alles wie weggeblasen. Die Welt bestand aus rosa Wolken.

Im Nachhinein ist mir klar, dass ich mir die Taktik, Alkohol als Problemlöser zu benutzen, bei meinem Vater abschaute. Auch er brachte nüchtern kaum einen Satz heraus. Wein machte ihn jedoch nicht nur gesellig, sondern auch laut und aggressiv. Wenn er von der Fabrik nach Hause kam und literweise Wein in sich schüttete, gab es meist Ärger. Dazu kam der Spießrutenlauf in der Schule. Die abgetragene Kleidung, die ich trug, weil Geld fehlte, machte mich zum Gespött der Kinder – und beförderte mein Selbstwertgefühl immer weiter in den Keller.

Dabei muss man sagen: Gemocht hat mein Körper Alkohol nie. Er wehrte sich stets dagegen, verursachte schreckliche Übelkeit. Doch bis zuletzt tat ich diese Tatsache ab. Selbst als schlimme Aussetzer passierten, mir Beine und Füße versagten und ich nachts halluzinierte, dachte ich, alles im Griff zu haben. Unglaublich, wie ignorant Alkohol machen kann. Mit 15 war ich fast jedes Wochenende betrunken. Als ich dann mit Christian zusammenkam, dem gutaussehenden neun Jahre älteren Mann aus der Nachbarschaft, hatte ich einen perfekten Trinkkumpanen.

Beim Blick in den Spiegel fühlte ich nur Scham

Fünf Jahre später heirateten wir. Ich hatte davor eine Ausbildung zur Holzschnitzerin gemacht, verdiente mein Geld mit Gelegenheitsjobs. Die Exzesse am Freitag und Samstag wurden schlimmer. Christian, der als Lkw-Fahrer arbeitete, trank ebenfalls, konnte aber mehr vertragen als ich. Häufig hatte ich einen Blackout, konnte mich an nichts mehr erinnern. Beim Blick in den Spiegel fühlte ich nur Scham. „Du hast es wieder gemacht!“, hämmerte es in meinem Kopf. Aber am Nachmittag erwachte das Verlangen wieder. „Nur ein Glas, dann geht’s dir besser …“, fl�

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