VOM TOD, DEN FARBEN UND DEM KLEINEN GLÜCK

6 min lesen

Endlich Indien! Nach langem Zögern hat sich unsere Redakteurin erstmals nach Indien gewagt, ins Heimatland des Yoga – und dort hautnah erlebt, dass die größte Weisheit manchmal nicht vieler Worte bedarf. Ein kleiner, subjektiver Reisebericht.

Der Ganges gehört leider zu den schmutzigsten Flüssen der Welt. Das schreckt Pilger*innen allerdings nicht von einem rituell reinigenden Bad ab. Untertauchen inklusive!

„I don’t know. Maybe fly – fall down.“ Die Englischkenntnisse des kleinen Mannes, der meine Freundin und mich frühmorgens während der Sonnenaufgangs in Varanasi über den Ganges rudert, sind begrenzt. Meine Hindi-Kenntnisse erst recht, und so beschränkt sich unsere Unterhaltung auf das Wesentliche. In diesem Fall hat sich meine Freundin erkundigt, wie wohl die Fledermaus ins Wasser geraten war, die unser Bootsmann soeben aus dem heiligen Nass gerettet hat, an dessen Ufer sich Menschen in Scharen von ihren Sünden reinigen. Das Tierchen sei wohl geflogen und dann vom Himmel gefallen. So schlicht, so wahr. Nun trocknen seine Flügel im Schutz des hinteren Sitzes und es kommt langsam zur Ruhe. Wessen Seele wohl in ihm schlummert?

Varanasi gilt als spirituelle Hauptstadt Indiens, der hinduistische Gott Shiva soll hier einst seinen irdischen Wohnsitz bezogen haben. Wer hier stirbt und verbrannt wird, verlässt den beschwerlichen Kreislauf der Wiedergeburten und gelangt geradewegs ins Nirvana, heißt es. Ob es das ist, was besagten Bootsmann, der hier zu Hause ist, so von innen leuchten lässt? Ich weiß nicht viel über ihn, weiß nicht, ob er Yoga übt, ob er Familie hat, was er gerne isst … Sogar seinen Namen habe ich mittlerweile vergessen. Und doch gehört er zu denen, die mich während der ersten Indienreise meines Lebens am meisten beeindrucken, weil er eine Zufriedenheit ausstrahlt, wie man sie nur selten erlebt. Eine, die tief aus dem Inneren kommt und von der ich, allen Yogastunden der vergangenen Jahre zum Trotz, noch ganz schön weit entfernt bin. „ Auch ein König muss manchmal weinen“, erklärt der Mann mit den lächelnden dunklen Augen seine Sicht der Dinge. Traurigkeit gehört zum Leben dazu, so ist das eben, keine große Sache.

Unsere Autorin vor dem Hawa Mahal, dem „Palast der Winde“ in Jaipur im Bundesstaat Rajastan
Buddhistische Mönche im Namgyal-Kloster (dem „Dalai-Lama-Tempel“) in Dharamsala im Bundesstaat Himachal Pradesh

In der Regel sei er aber glücklich, wenn er nach getaner Arbeit eine Stunde lang nach Hause spaziere und dabei ein paar Liedchen singe.

Lange habe ich gezögert, nach Indien zu fliegen, obwohl mich das Land seit Teenietagen interessiert hat, damals, als ich Hippiemusik hörte, John Lennons Biografie las, die alten Indienröcke meiner Mama aus dem Keller holte und sie trug, bis sie auseinanderfielen. Ich reise normalerweise