VOM LEBEN ERFÜLLT

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Endlich Sommer! Wenn es eine Zeit im Jahr gibt, in der wir uns besonders lebendig fühlen, dann jetzt. Ein schöner Anlass, um mal genauer hinzuschauen: Was macht dieses Gefühl eigentlich aus? Was hat das mit Yoga zu tun? Und wie können wir Lebendigkeit kultivieren und ihr mehr Raum geben?

FOTOS: MI PHAM, DMITRY OSIPENKO, SILVIA GRESOVA, TYLER NIX / UNSPLASH

Als Emily Dickinson 1872 diesen Satz schrieb, kannte man noch keine „Work-Life-Balance“, man flog auch nicht in den Süden oder ging zum Yoga. Es gab andererseits auch keine Computer-Arbeit, keine Netflix-Serien und kein anonymes Single-Großstadtleben. Was es aber wohl zu allen Zeiten gab, ist ein gefühlter Unterschied zwischen dem schlichten Am-Leben-Sein und dieser umfassenden, erfüllenden Lebendigkeit, von der die Dichterin spricht, einem Er-Leben, das mitunter so umwerfend sein kann, dass es einfach nichts anderes mehr braucht.

Um diese Lebendigkeit soll es hier gehen – denn die meisten von uns kennen auch das genaue Gegenteil: ein Gefühl, wie unter einer Käseglocke zu leben, gestresst, erschöpft, zerstreut, irgendwie dabei, ohne wirklich da zu sein. „Near Life Experience“ nennt der Yogalehrer Max Strom so einen Zustand sinnigerweise (in Anspielung auf „Nahtoderfahrungen“). Er ist überzeugt, dass dieses Am-eigentlichen-Leben-vorbei-Leben sich seit einiger Zeit in erschreckendem Maß ausbreitet – und dass das sehr viel mit dem technologischen Fortschritt zu tun hat. Die aktuelle Media Activity/Forsa-Studie kommt auf einen schwindelerregenden Durchschnitt von 755 Minuten Mediennutzung pro Kopf und Tag, also über 12 Stunden. Das bedeutet: Wenn wir nicht gerade schlafen, nutzen die meisten von uns fast durchgehend irgendwelche Medien.

Dass man in dieser virtuellen Blase leicht vergisst, dass es noch ein Hier und Jetzt gibt, in dem sich das eigene Leben ereignet, liegt genauso deutlich auf der Hand wie das Smartphone, auf dem sich ein großer Teil dieser Mediennutzung abspielt. Immer mehr Menschen kämpfen mit schwindenden Aufmerksamkeitsspannen, Schlaf- und Angststörungen, Depressionen und Suchtverhalten. Manche suchen eine vermeintliche Lebendigkeit auch in möglichst intensiven Erlebnissen: immer mehr, höher, schneller, weiter, effektiver, optimaler … und merken irgendwann nur noch, wie erschöpft sie sind. Parallel dazu finden aber Yoga, Meditation und andere Formen von Körper-Geist-orientierter Achtsamkeit und Bewegung immer mehr Zulauf – und das ist ein gutes Zeichen: Genau diese Dinge sind es nämlich, die uns wieder zurückbringen können in die Lebendigkeit.

Aber was ist das überhaupt, diese Lebendigkeit, nach der wir uns wohl alle sehnen? Was macht sie aus – und was steht uns im Weg? Ganz bestimmt erinnerst du dich an viele Momente, i