Als Krishna das Universum in seinem Mund offenbarte

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INDISCHE SAGEN

Lebendigkeit äußert sich nicht immer in raumgreifenden Bewegungen, wir finden sie ganz besonders auch in unserem Inneren. Daran erinnert dieser indische Mythos

ILLUSTRATION: ANTHONY WALKER / MIDJOURNEY, FIZKES / SHUTTERSTOCK

Krishna wurde liebevoll von seiner Ziehmutter Yashoda, einer Kuhhirtin, aufgezogen. In seiner Kindheit war er im Dorf für seine zum Teil wüsten Streiche bekannt. So klaute er seiner Mutter und den anderen Hirtinnen und Hirten Milch und Butter, um diese Köstlichkeiten entweder selbst zu essen oder sie an die überall herumstreunenden Affen zu verfüttern. Wegen seiner charmanten, liebevollen Art wurde ihm aber sämtlicher Schabernack verziehen.

Als Krishna einmal mit seinen Freunden im Hof spielte, nahm er eine Handvoll Erde in den Mund. Aufgeregt rannten seine Freunde zu Yashoda, um ihr davon zu berichten. Sie kam ängstlich und wütend mit einem Stock herbeigeeilt, um Krishna zu bestrafen. Der kleine Junge bekam es mit der Angst zu tun, wischte sich die letzten Erdkrümel vom Kinn und sagte, er habe gar keine Erde gegessen – welcher Mensch esse denn schon Erde? Doch Yashoda verlangte von ihm, seinen Mund zu öffnen, damit sie sich davon überzeugen könne. Krishna öffnete den Mund – und als Yashoda hineinblickte, sah sie zu ihrer großen Verwunderung das gesamte Universum vor sich: alle beweglichen und unbeweglichen Lebewesen, die Berge und Ozeane, Wind und Feuer, den Mond und die Sterne mitsamt den Weiten des Weltalls. Sie sah auch alle Güte, Weisheit und Leidenschaft, die den Lebewesen zugemessene Zeit und alle Wünsche und Reaktionen des Karmas vor sich.

Zunächst ängstigte Yashoda dieser Anblick. Doch dann wurde ihr klar, dass sie den Herrn der drei Welten – Erde, Luft und Himmel – immer nur bedingt als ihren menschlichen Sohn ansehen k