VON WEGEN FAKIR !

6 min lesen

BERÜHRUNG EXTREM

Moderne Yogi*nis entdecken gerade wieder, was indische Sadhus seit Jahrhunderten praktizieren: die traditionelle Hathayoga-Praxis des Nagelbretts. Denn was im Westen lange als zirkustaugliche Fakir-Show abgetan wurde, könnte sich als ein kraftvolles Tool der Selbsterfahrung und Transformation erweisen. Wir haben es ausprobiert …

FOTOS: HERBERT PONTING (1907) / KRYSTSINA SHYLA

Ich bin keine Grenzgängerin. Ich brauche keine Extreme, um mich lebendig zu fühlen: Fallschirmspringen, Eisbaden, Drogen – alles nichts für mich. Ich meide Gefahren, ich dusche lieber warm und ich behalte auch ganz gern die Kontrolle. Aber wenn Schmerz unvermeidbar ist, dann kann ich ihn in der Regel ganz gut aushalten. Jetzt wäre er vermeidbar: Nichts und niemand zwingt mich, auf das „Sadhu Board“ zu steigen, das Ekaterina Levit für mich bereitgelegt hat: zwei Hälften eines schön gearbeiteten Holzkästchens, etwa fußgroß, in das spitze, kleine Nägel eingearbeitet sind. Keine hübschen Kunststoffstacheln in Lotosform, wie man sie von den Shakti-Matten kennt, nein, richtige Nägel aus Metall, die man ohne Weiteres auch in eine Wand schlagen könnte.

Wie gesagt: Ich muss da nicht draufstehen, aber ich will es trotzdem versuchen. Mich interessiert, was passiert, wenn wir uns gezielt einem so starken Reiz aussetzen. Kann man den Schmerz tatsächlich ausblenden? Ihn vielleicht „wegatmen“? Wie viel Übung braucht der Geist, um den Körper zu überstimmen? Die moderne Auffassung von Yoga steht zwar ganz unter der Überschrift „Wellness“, doch historisch ist diese Meisterschaft über den eigenen Geist ja ein zentrales Element der Praxis. Die einen haben sie in der Meditation gesucht, die anderen machten den Körper zum Instrument ihrer Transformation: mit Asana und Pranayama, aber traditionell eben auch mit viel rabiateren Methoden. Nicht im Sinn von masochistischer Selbstquälerei, sondern als äußerste Anstrengung zur Überwindung all dessen, was uns unfrei macht: Angst, Gier, Verwirrung, Anhaftung …

MUT, VERTRAUEN, KRAFT

Transformation ist auch für Ekaterina Levit die entscheidende Motivation, wobei sie dabei nicht gleich die ultimative spirituelle Erlösung im Sinn hat. Der Berliner Yogalehrerin geht es eher um eine ganz konkrete Praxis der Selbsterfahrung und um Lebenshilfe: „Meistens kommen Menschen zu mir, die in ihrem Leben an einer Schwelle stehen und nicht recht wissen, wie es weitergeht. Sie kennen die Antwort schon, aber sie trauen sich nicht, sie zu sehen.“ Der entscheidende Impuls, um in so einer Situation der eigenen Intuition zu vertrauen und den sprichwörtlichen Schritt nach vorne zu gehen, kann dabei tatsächlich aus den Füßen kommen: „ Auf den Nadeln stehend spüren wir unsere Kraft“, erklärt Ekaterina. „Das hat etwas mit Mut zu tun, aber auch viel mit Vertrauen, dem Glauben an sich selbst