ZIELE? JEIN, DANKE!

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Geben Ziele dem Leben einen Sinn? So sehr, wie wir ihnen oft nachjagen, könnte man das annehmen: Karriere machen, die große Liebe finden, die Welt bereisen, Erfüllung erfahren – darum geht es doch, oder? Vielleicht ist es Zeit für einen kleinen Perspektivenwechsel …

„Die Erde könnte sich alleine gefühlt haben, und dann hat sie’s probiert und probiert, bis Leben auf die Erde kam.“ Ein Zitat aus dem Youtube-Video „Kinder erklären den Sinn des Lebens“, hochgeladen von einem User namens Ron0964. Auffällig ist, wie oft in dem Achtminüter das Wort Liebe fällt, wie oft von der Verbindung mit anderen und der Umwelt die Rede ist – und selbst Achtsamkeit kommt vor, wenn man so will („Barfuß laufen!“ „ Abenteuer!“). Wofür wir auf der Welt sind? „Um mit der Mama zu kuscheln.“ „Um die Natur zu beschützen.“ „Um gut zu leben.“ „Um anderen Menschen Freude zu machen.“ Oder so schlicht wie schön: „Ich glaube, wir sind auf der Erde, weil wir aus Liebe sind.“ Die Botschaften sind so herzerwärmend wie philosophisch, so schlicht wie wahr, dass einem glatt der Gedanke kommen kann: Was bitte passiert mit uns, dass wir uns von diesem kindlichen Urwissen mit der Zeit so stark entfernen? Irgendwie irgendwann sind die meisten von uns an einen Punkt gekommen, an dem „etwas erreichen“ zu einer unserer wichtigsten Antriebsfedern wurde, aus der wir eine vermeintliche Sinnhaftigkeit ziehen, die letztlich keine ist.

Googelt man „So erreichst du deine Ziele“, erhält man über 900.000 Treffer, gibt man es auf Englisch ein, „How to achieve your goals“, dann kann man noch drei Nullen dranhängen. Und ja, Ziele zu haben ist wichtig, da ist man sich in der psychologischen Forschung weitgehend einig. Denn ohne sie gibt es keine Orientierung, keine Weiterentwicklung – und damit Stillstand. Als Kleinkinder lernen wir zum Beispiel laufen, sprechen, selbstständig essen, später dann absolvieren wir Schulabschlüsse, Aus- und Weiterbildungen, gründen Familien, gehen auf Reisen, übernehmen Ehrenämter und, und, und. Tun Dinge, die uns motivieren, jeden Tag aufzustehen und die wir für bedeutsam halten. Tatsächlich findet man abseits der üblichen „So wirst du happy“-Coachingseiten aber immer wieder den Hinweis, man solle seine Ziele ruhig öfter mal aus den Augen verlieren, wolle man ein erfülltes, ein glückliches Leben führen. Auch der renommierte Hirnforscher Gerald Hüther stellt in einem Podcast auf zukunftsinstitut.de fest: „Ziele haben immer diese unangenehme Eigenschaft, dass man sie erreichen kann.“

Was er damit meint: Die Bedeutsamkeit – und damit der Sinn – eines Zieles nimmt ab, sobald wir am angestrebten Punkt angekommen sind. Mit der Zeit wird das Erlangte zur Selbstverständlichkeit, ein neuer Motivator muss her. In einer im Zusammenhang mit der Glücksforschung gern zitierten, 2010 veröffen