PIMP YOUR REALITY!

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Knarzend wendet sich die Seite des Yogasutra. Staubflocken wirbeln auf, als sich das dritte Kapitel öffnet: Samyama. Selten rezipiert, selten zitiert – noch seltener praktiziert? Das „Buch der Mächte“ handelt von der bewusstseinsverändernden Kraft der Meditation. Wie wäre es, das einmal konsequent auszuprobieren?

FOTOS: SINCERELY MEDIA, TIM WILDSMITH, SAM / UNSPLASH

Obwohl die Autorin sich weder besonders für Autos interessiert noch ein Fan des Rappers Xzibit ist, war sie eine Freundin der TV-Sendung „Pimp My Ride“. Hier wurden schrottreife Karren nahezu auseinandergenommen, lackiert, bezogen und nach allen Regeln der Kunst aufgemotzt. Vorher vs. nachher – eine andere Welt. Der Begriff „Pimp“, den wir uns für die Überschriften zu dieser Artikelreihe geklaut haben, folgt vehikelhaft dieser Logik: Etwas Altes, Verbeultes, Auszumusterndes wird im Rahmen einer 30-tägigen yogischen Praxis-Challenge überholt, verbessert, verfeinert, erneuert. In Folge 1 haben wir mit den fünf Yamas das Karma „gepimpt“. Im zweiten Teil ging es mithilfe der Niyamas um mehr Klarheit und Bewusstsein („Pimp your Mind“). Und weil aller guten Dinge drei sind, folgt nun Samyama: Pimp your Reality!

IST REALITÄT, WAS DU DRAUS MACHST?

Wenn man sich anmaßt, die Realität aufmotzen zu wollen, sollte man zuerst natürlich fragen, was das im Yoga eigentlich heißt? Denn im Alltäglichen (wie im Sozialmedialen) bedeutet das Pimpen von Realität ja oft das Verwenden von Filtern und Fillern, Photoshop und Botox-Schock, künstlichen Wimpern und kunstvollem Make-up, deren Applizierer*innen nicht umsonst „Artists“ heißen. Holy Glow! Im Yoga heißt das Aufbessern von Realität natürlich etwas anderes, eigentlich das genaue Gegenteil: Wir wollen die Essenz derselbigen möglichst rein und und unverfälscht erfahren. Ohne rosarote Brille, eigentlich ohne irgendeine Brille, irgendeine Farbe. Mit anderen Worten:

Wir wollen den Geist so rein waschen von jeglicher Färbung und Verschleierung (im Sanskrit Klesha), dass er gar nicht mehr aufträgt. Ein Weniger-ist-mehr-Effekt. Denn die Realität, um die es geht, ist so überwältigend, dass ihr kein Glitter-Glow-Glanz gerecht werden könnte.

Aber machen wir noch einmal einen Schritt zurück: Im Allgemeinen versteht man unter Realität das, was ist, die Welt. Sie wird uns durch die Sinnesorgane präsentiert und durch den Geist sortiert. Er markiert als wichtig, was er kennt, fürchtet oder anstrebt. Er konserviert, was immer wieder vorkommt. Er legt als unwichtig beiseite, was nicht interessiert – wenn es denn überhaupt wahrgenommen wird. Und hier liegt aus yogischer Sicht auch das Problem: Das, was der Geist aus den Sinneseindrücken interpretiert, nehmen wir für wahr. Dabei ist das höchst individuell, sagt Patanjali in Sutra 4.15: „Das gleiche Objekt wird von verschiedenen Cittas unte