YOGA VON INNEN NACH AUSSEN

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Somatic Yoga legt den Fokus auf die innere Erfahrung – eine besonders achtsame, kontemplative Praxis, die dir helfen kann, emotional besser in die Balance zu kommen.

FOTOCOLLAGEN: NADIA FLOWER

Ich sitze daheim auf meinem Sofa und übe per Telefon mit Bonnie Bainbridge Cohen. Sie lenkt meine Aufmerksamkeit zunächst auf meinen Atem und dann nach und nach durch meinen Körper. Ich beobachte, wie sich mein Zwerchfell ausdehnt und zusammenzieht, wie das Blut durch meine Venen strömt und was in meinen Nadis, den yogischen Energiebahnen, vor sich geht. Bonnie lädt mich nicht nur ein, all diese einzelnen Elemente wahrzunehmen, sondern auch die Räume dazwischen, die Verbindungen, vom Kopf bis zum Steißbein und weiter bis in die Zehen.

Aus dieser bewussten Wahrnehmung heraus bittet sie mich, meine rechte Hand auf die linke Schulter zu legen, meine Augen zu schließen und zu atmen. Anstatt nun aber den Atem von der Vorderseite meines Gehirns aus zu lenken, soll ich „die Rückseite meines Gehirns öffnen“. Sie könnte auch sagen: Hör auf, alles kognitiv zu überdenken (präfrontaler Cortex), und verlasse dich mehr auf deine Instinkte, deine Intuition. Ich versuche es – und tatsächlich: Ich habe das Gefühl von mehr Raum im hinteren Teil meines Kopfes. Bainbridge Cohen beschreibt sich selbst als Bewegungskünstlerin, Forscherin und Therapeutin, sie ist aber auch die Gründerin von Body Mind Centering, einem experimentellen Bewegungssystem für Embodiment, also für Verkörperung oder genauer gesagt: für das Gefühl, wirklich in seinem Körper zu leben. (Mehr zum Thema Embodiment findest du hier: yogaworld.de/embodiment-ich-fuehlealso-bin-ich/) Ihre Arbeit beruht auf Somatics, einem in der Psycho-, Physio- und Bewegungstherapie gängigen Ansatz, der immer mehr auch im Yoga Einzug hält.

Das beginnt schon damit, dass dir ein*e Lehrer*in beispielsweise sagt: „Bewege dich so, dass es sich für dich gut und stimmig anfühlt.“ Die Idee: Langsame Bewegungen, sehr genaue Beobachtung und minimale Hinweise zum Alignment beruhigen und heilen ein überlastetes Nervensystem – und sie helfen dir, ruhiger und bewusster zu agieren in einer Welt, die sich immer mehr aufheizt und zwar nicht nur klimatisch, sondern auch emotional und politisch.Also versuche ich, meinen mentalen Kontrollknopf abzuschalten und einfach nur den Atem unter meiner Hand zu spüren. Als Bonnie mich bittet, meine Zunge zu entspannen, nehme ich wahr, wie sich etwas in meinem Kiefer löst. Dann fordert sie mich auf, meine rechte Hand unter meinem linken Arm auf die Mitte der Lunge zu legen. Ich soll von der Lunge zum Gehirn spüren und wieder zurück – und neugierig sein, was da passiert. Dann die gleiche Übung mit der Hand am unteren Ende der Lunge, an den Rippen. Einige Minuten lang