WA S TRÄGT IN KRISEN?

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Yogapraxis, Meditation, Selbsterforschung, Spiritualität: Was fängt uns auf, wenn die gewohnte Welt Kopf steht – und wo liegen die Grenzen dessen, was wir überhaupt beeinflussen können? Ein Gespräch mit der Yogalehrerin Patricia Thielemann und dem Philosophen und Jesuiten Professor Michael Bordt.

FOTOS: MIRJAM KNICKRIEM

Ich bin euch sehr dankbar für die Anregung zu diesem Gespräch, denn das Thema Krise ist derzeit ja ein sehr bestimmendes: Neben den persönlichen Krisen, die wir wohl alle irgendwann erleben, bedrücken uns massive Probleme im Außen: Klima, Krieg, Pandemie, Teuerung … Daher die Frage: Was trägt in Krisen?

MB: Das, was in Krisen trägt, ist eigentlich das, was im Leben trägt. Zeiten der Krise können uns noch mal dazu aufrufen, auf die Gegenwart zu schauen und etwas zu entdecken: Was stärkt mich im Jetzt und Heute? Was trägt mich in meinem Leben – oder, vielleicht besser formuliert: Von was bin ich im Leben getragen? Was fängt mich auf, wenn ich in der Krise bin, was gibt mir gesunde Bodenhaftung, wenn ich in Gefahr bin, mich selbst zu verlieren?

Dennoch muss ich ja irgendwie mit den bedrohlichen Szenarien umgehen?

MB: Natürlich ist es verständlich, dass man wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt und auf die möglichen Szenarien starrt. Umso wichtiger ist es, darin eine Aufforderung zu sehen, das Hier und Jetzt ernster zu nehmen und sich zu fragen: Wie lebe ich eigentlich? Lebe ich so, dass mich das auch in schwierigen Zeiten tragen kann?

PT: Das teile ich. Die Krisenzeit wirft uns auf das Wesentliche zurück. Das kann eine Aufforderung sein, die Spreu vom Weizen zu trennen und mehr Wert auf unsere Beziehungen zu legen, auf das Miteinander, auf das Rausgehen in die Natur – all das, was uns nährt und trägt, hat noch mehr an Bedeutung gewonnen, gerade weil man das, was im Außen passiert, nicht ändern kann.

Das klingt, als ob du in der Krise vor allem die Chance siehst, Patricia ...

PT: Eine sehr große Chance! Am Ende könnte daraus nicht nur ein besseres Miteinander erwachsen, auch persönlich könnten wir gestärkt daraus hervorgehen. Viele der Oberflächlichkeiten, dieses ganze „Noch mehr, noch weiter“ könnten eingedämmt werden und in dieser Begrenztheit könnten wir wieder mehr Tiefe und Impact erfahren. Ich glaube, nur wenige Menschen haben noch Lust auf dieses Leerlaufen in Äußerlichkeiten.

Das ist sehr ermutigend und motivierend, aber trotzdem stocke ich immer etwas, wenn es heißt, „Jede Krise ist eine Chance“: Da vergisst man leicht, dass man durch die Krise ja erstmal hindurch muss – man muss sie aushalten und bewältigen, bevor sie einen Nutzen haben kann. So gesehen ist es doch eine Falle, wenn man so tut, als müsse ganz schnell alles noch viel besser werden als zuvor. Man überspringt das Wesentliche, oder?

PT: Da