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Das Erbe der Kolonien

WELCHER RAUBZUG

Januar 1911: Im Auftrag der Deutschen Orient-Gesellschaft gräbt der deutsche Ägyptologe Ludwig Borchardt in den Ruinen der untergegangene Stadt Tell el-Amarna. Mit der Hilfe von 260 einheimischen Arbeiter soll er das Anwesen des altägyptischen Künstlers Thutmosis freilegen, der vor rund 3400 Jahren der Oberbildhauer von Pharao Echnaton gewesen ist. Als die Arbeiter in einer verborgenen Kammer eine Büste entdecken, ahnt noch keiner, dass dieser Fund die Nachwelt bis heute in Atem halten wird – und als “Büste der Nofretete” in die Geschichtsbücher eingeht.

Borchardt ist in Kairo, als das lebensechte Abbild der Hauptgemahlin von Echnaton beinahe unversehrt unter einem Schutthaufen entdeckt wird. Unverzüglich reist er zurück und beaufsichtigt persönlich die Bergung. „Erst dann wurde die bunte Büste herausgehoben“, erklärt Borchardt später.„Und wir hatten das lebensvollste ägyptische Kunstwerk in Händen.“ Noch im selben Jahr wird eine Ausfuhrgenehmigung erteilt und das Fundstück mit der Nummer 748 nach Berlin gebracht – wo es bis heute zu den Hauptattraktionen der Museumsinsel gehört. Doch so sehr das einmalige Kunstwerke seine Betrachter bis heute auch verzaubert, ist es mittlerweile auch zum Symbol einer hitzigen Debatte über koloniale Raubkunst geworden. Nicht wenige Experten und Politiker fordern die Rückgabe der Büste, da sie zu einer Zeit aus Ägypten ausgeführt wurde, als das Land britische Kolonie war – und französische Beamte den ägyptische Antikendienst leiteten.

Betrachtet man den Fall genauer, wird es schnell kompliziert. Denn die Büste wurde von Borchardt nicht entwendet, sondern zunächst überhaupt erst von dem Forscher auf mehr oder weniger eigene Kosten ausgegraben. Fakt ist auch, dass es damals in Ägypten zudem die Regel gab, dass selbstständig ausgegrabene Funde von ausländischen Archäologen „zu gleichen Teilen“ zwischen Finder und Ägypten geteilt werden. Wie genau die Aufteilung erfolgte, ist heute schwer zu sagen, doch ein erheblicher Teil von Borchardts Funden geht damals an das Ägyptische Museum – darunter der sogenannte Klappaltar von Kairo. Die

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