Drei Jahrzehnte lang hing der größte Eisberg der Welt in der Antarktis fest. Nun ist A23a in Bewegung geraten und treibt wie ein führerloses Geisterschiff auf die Südgeorgischen Inseln zu, wo Millionen Robben, Pinguinen und Seevögeln leben. Wissenschaftler schlagen Alarm – denn: Wenn der Koloss schmilzt oder auf Grund läuft, könnten ganze Ökosysteme zerstört werden. Sollte er hingegen weiter nach Norden driften, droht A23a zum Problem für den Schiffsverkehr zu werden …
JULIAN KLEVESATH
A23A – EIN KOLOSS AUF ABWEGEN
Richard Sidey stockt der Atem, als er Richtung Horizont blickt. Es sieht aus, als würde das Expeditionsschiff, auf dem der Fotograf sich befindet, geradewegs auf Festland zusteuern – so endlos scheinen die Eismassen, die sich vor ihm erstrecken. Laut Seekarten sollte sich an diesen Koordinaten jedoch nichts befinden außer Wasser. Für Sidey und das Forscherteam, dem er angehört, ist daher klar, was da vor ihnen liegen muss: jenes Objekt, das sie seit Tagen versuchen aufzuspüren: A23a, der größte Eisberg der Erde …
EIN EISRIESE ALS OASE DES LEBENS
A23a entstand im Jahr 1986, als ein riesiges Stück vom Filchner-Schelfeis, der zweitgrößten Eisplatte der Antarktis, abbrach. Mehr als drei Jahrzehnte hing der Koloss reglos am Grund des Weddellmeeres fest, ehe er sich Ende 2023 plötzlich wieder in Bewegung setzte. Andrew Fleming vom British Antarctic Survey glaubt, „dass die Zeit einfach gekommen war”. Der Eisberg sei ausreichend geschrumpft, um den Halt am Boden zu verlieren und sich zu bewegen. Die Veränderung der Schelfwassertemperaturen infolge des Klimawandels könnte diesen Prozess jedoch beschleunigt haben.
Der Eisriese elektrisiert die Wissenschaft seit Jahren – schon allein wegen seiner Ausmaße. Er ist so hoch wie das Empire State Building und fast doppelt so groß wie das Saarland. „Mit einem Gewicht von knapp einer Billion Tonnen ist dieser Monsterberg bis zu 400 Meter dick und bedeckt eine Fläche von 3900 Quadratkilometern”, sagt Fotograf Richard Sidey. „Er erstreckt sich in beide Richtungen, so weit man sehen kann. Es war dramatisch und wunderschön ihn zu fotografieren.”
Doch nicht nur diese beeindruckenden Zahlen machen A23a zu einem spannenden Studienobjekt.