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Der Mann, der getanzte Träume möglich machte, ist auf emotionaler Abschiedstour: JOHN NEUMEIER (85), genialer Ballettchef und Ehrenbürger seiner Wahlheimat Hamburg

Milwaukee ist mit rund einer halben Million Einwohner die größte Stadt im US -Bundesstaat Wisconsin. Etwa anderthalb Stunden nördlich von Chicago am Lake Michigan gelegen, ist sie vor allem bekannt für Brauereien und: als Geburtsort der Motorradkultmarke Harley Davidson. Für Ballett eher nicht. Jedenfalls früher nicht. In einem neuen, sehr persönlichen Dokumentarfilm, den Arte nun zeigt, kehrt Ballettlegende John Neumeier (er inszenierte die ganz großen Stücke: vom „Nussknacker“ bis „Romeo & Julia“) an seinen Geburtsort zurück. Auf der Suche nach den Ursprüngen.

Tanz über den Großen Teich

Der Tanz kam früh ins Bewusstsein des 1939 geborenen Neumeier, nämlich schon im Alter von fünf Jahren. Da sah er einen Musicalfilm im Kino, die Tanz- und Ballettszenen beeindruckten ihn nachhaltig. Mit neun Jahren begann er mit Stepptanz. Aber es war die Begegnung mit Jesuitenpater John J. Walsh, der sein Talent erkannte und ihm auf den Kopf zusagte: „Du musst Tänzer werden“, und auf einmal sei der Weg für ihn klar gewesen Da war Neumeier gerade 18 Jahre alt: „Das war der entscheidende Moment.“ Er ergatterte ein Stipendium an einer renommierten Ballettschule in Chicago, fuhr an drei Tagen in der Woche von Milwaukee aus mit der Bahn dorthin – und wischte jeden Donnerstag den Boden: „Damit ich nicht bezahlen musste.“ Dann ging es über den Großen Teich, erst noch als Tänzer nach Kopenhagen und London, dann ans Stuttgarter Ballett zu John Cranko und nach Frankfurt am Main, da schon als Ballettdirektor. Und schließlich 1973 in die Elbmetropole Hamburg, deren Ehrenbürger er längst ist.

IMMER DER RICHTIGE SCHRITT

FOTOS KIRAN WEST

Mit John Neumeier wurde Hamburg erst zur Ballettstadt. August Everding, der damalige Intendant der Hamburgischen Staatsoper, holte ihn 1973 in die Hansestadt. Heute lernen Jugendliche im „Ballettzentrum Hamburg – John Neumeier“

Der einzige echte Weltstar

„Hamburg kann unendlich dankbar sein, dass wir so jemanden in unseren Reihen haben“, ließ eine andere Ehrenbürgerin, die große Kinderbuchautorin Kirsten Boie, den NDR in einer Grußbotschaft zu John Neumeiers 85. Geburtstag im Februar wissen. Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs nennt ihn „ein Geschenk für die Stadt und für mich“, laut Kultursenator Carsten Brosda ist Neumeier „der wahrscheinlich einzige echte Weltstar“ in der Hansestadt. Über einen Mangel an Gratulationen und Preisen konnte sich das Geburtstagskind nicht beschweren, gerade wurde Neumeier in den „Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste“ aufgenommen, das Bundesverdienstkreuz hat er natürlich schon, ebenso die Auszeichnungen als „Chevalier des Arts et des Lettres“ und der Ehrenl

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