DIE GLORREICHEN 7

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DOLOMITEN

Nirgends sind die Dolomiten imposanter, und nirgendwo sonst finden Radler nah beieinander so viele Pässe wie rund ums Sellamassiv: Grödner- und Sellajoch, Passo Pordoi und Campolongo, dazu in nächster Nähe Valparola, Giau und Fedaia – sieben Pässe, die Geschichten erzählen und Kletterer glücklich machen

PANORAMABLICK Wie ein Fingerzeig erhebt sich die Ra Gusela (2.595 m) über dem Passo di Giau (2.236 m), rechts davon ragen die Gipfel der Tofane in den blauen Himmel
Fotos: Matthias Rotter (11)
Mit einer endlos langen Geraden, die wie die nahe Marmolada-Seilbahn in den Himmel zu führen scheint, wirft einem der Passo Fedaia den Fehdehandschuh vors Rad
ZAHLENSPIEL Fast oben! Noch eine Kehre (Tornante), dann ist der Anstieg von Süden zum 2.244 Meter hohen Sellajoch geschafft
DOLOMITEN-KLOTZ Ameisengleich klettern Radler vor den mächtigen Wänden der Sellagruppe von Süden zum Sellajoch. Hinten links: der Piz Boé (3.152 m)
WEGWEISER Der Peitlerkofel weist Radlern, die aus dem Gadertal kommen, die Anfahrt zum Würzjoch
SCHMUCKSTÜCKE Auf dem Weg zum Würzjoch passiert Tour 1 Dörfer mit hübschen, wettergegerbten Bauernhäusern

Vincenzo Torriani war zeit seines Lebens auf der Suche. Auf der Suche nach Straßen, insbesondere nach Bergstraßen. Nach spektakulären Bergstraßen, über die er ein Profipeloton jagen konnte. Das war sein Job – und vermutlich seine Leidenschaft. Denn Vincenzo Torriani war bis 1992 für den Giro d’Italia das, was einst der noch berühmtere Henri Desgrange für die Tour de France war: Renndirektor einen dreiwöchigen Landesrundfahrt. Nachdem Torriani bereits 1953 das Stilfser Joch und 1960 den Passo di Gavia in den Giro eingebaut hatte, war er einmal mehr auf der Suche nach Herausforderungen für die Profis. Oder sollte man sagen, nach neuen Quälereien? Denn nicht immer stießen die Anstiege, die Torriani oder sein Pendant Desgrange neu in ihre Rundfahrten aufnahmen, auf Gegenliebe. Vor allem nicht bei den Fahrern. Man erinnere sich nur an die legendären Szenen bei der Erstbefahrung des Col d’Aubisque in den Pyrenäen im Jahr 1910, als der damalig Führende Octave Lapize die Organisatoren der Tour als Mörder bezeichnete. Ganz so dramatisch dürfte es sich 1969 nicht abgespielt haben, als Torriani das Giro-Peloton zum ersten Mal über den Passo Fedaia schickte. Immerhin waren die Rennmaschinen inzwischen mit Gangschaltungen ausgestattet. Da sollte es doch möglich sein, einen Fedaia anständig zu bezwingen. Den hatte Torriani nämlich schon lange auf seiner Wunschliste stehen. Ein spektakuläres Finale sollte es sein, am Fuße der Marmolada, der Königin der Dolomiten. Doch der Renndirektor hatte die Rechnung ohne den Wettergott gemacht. Regen, Schnee und Hagel prasselten an diesem Tag so extrem auf die Straße, dass die Fedaia-Etappe nicht einmal gestartet werden konnte.

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