tip Berlin
14 November 2019
Liebe Leserinnen und liebe Leser, Moderne Zeiten erfordern neue Identitätskonzepte. Das war in der klassischen Moderne so, als Dada, James Joyce oder Virginia Wolf den Menschen als ein fragmentiertes, fragiles, von äußeren Zufällen durchströmtes und schwer zu beherrschendes, oft von schwarzen Gefühlen und Gedanken getriebenes Ich beschrieben. Und in der modernen Postmoderne? In unserer Titelgeschichte steht eine der eindrücklichsten Definitionen über das Social-Media-Ich, die ich bisher gelesen habe: „die Produktion eines Produkts, das es nicht gibt.“ Den Satz hat Adam F. im tip-Interview unserem Kollegen Bert Rebhandl gesagt. Adam hat viele Jahre als Eva Collé in Berlin gelebt und sein Leben bis ins intimste Detail auf Tumblr und Instagram gezeigt, sich nackig gemacht sozusagen, und über sexuellen Missbrauch in seiner Kindheit, über seine Sexarbeit und Drogensucht gepostet. Die Filmregisseurin Pia Hellenthal hat über das Leben von Adam/Eva den Dokumentarfilm „Searching Eva“ gedreht, der jetzt ins Kino kommt. Diese öffentliche Selbstinszenierung von Adam/Eva mag viele verstören, aber gelernte Konzepte von privat und öffentlich und von der Suche nach dem Selbst durch den Blick nach Innen laufen da schnell ins Leere. tip-Redakteurin Julia Lorenz hat es dennoch unternommen, diese neue Kulturtechnik – die Adam zugegeben ins Extrem treibt – einzuordnen und zu sehen, wie das Virtuelle und das Reale immer mehr ineinanderfließen. Haben Sie schöne 14 Tage und Nächte! In echt!! Ihre Stefanie Dörre, Chefredakteurin
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