Medien haben die Seiten gewechselt

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KARL-EDUARD-VON-SCHNITZLER-PREIS

Wie sind die offenkundigen Fehlentwicklungen des Journalismus in den vergangenen Jahren zu erklären? Bei einem Festakt begründete Roland Tichy, warum Jan Böhmermann der ideale Träger des erstmals verliehenen „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preises für Propaganda und Agitation“ ist

Wer ist der Chefredakteur des „Spiegel“? Wer verantwortet die Illustrierte „Stern“? Wer den „Focus“? Wer ist Wolfgang Krach? Wer ist der kluge Kopf hinter der „Frankfurter Allgemeinen“, und welche Köpfe prägen die heutigen Medien? Welche Fernsehjournalisten kennen Sie?

Man kann sich ja nicht 30 Jahre mittels einer Zeitmaschine zurückbeamen. Aber natürlich hätten wir Stefan Aust gekannt oder Helmut Markwort. Sein Slogan „Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken“ ist heute so vergessen wie faktisch überholt.

Herbert Riehl-Heyse war Ende des vergangenen Jahrtausends drei Jahrzehnte lang der großartige Reporter und subtile Kolumnist der „Süddeutschen Zeitung“, ein guter Zuhörer, neugieriger Fragesteller, scharfer Beobachter und sensibler Beschreiber der Welt um ihn herum. Wolfgang Krach ist heute Chefredakteur einer Zeitung, die fast jeden Monat jemanden niederschreibt. Peter Scholl-Latour brachte den Deutschen die Welt ins Wohnzimmer. Tagesschau-Moderator Hajo Friedrich, politisch linksliberal verortet, prägte den Satz, dass sich Journalisten mit keiner Sache gemein machen sollten, auch nicht mit einer guten.

Es waren große Namen. Heute haben nur noch 40,4 Prozent der erwachsenen Bürger Vertrauen in die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bemerkenswert: 26 Prozent, die bislang Vertrauen hatten, haben dieses in jüngster Zeit verloren. Das bedeutet: Aktuell haben 45,5 Prozent der Erwachsenen kein Vertrauen in das Programm von ARD und ZDF. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag von Tichys Einblick hervor. Warum verschwinden Köpfe in der Anonymität, und warum wächst das Misstrauen in die Medien, wie es viele Studien immer und immer wieder bestätigen? Sinken Auflagen und Reichweite auch deshalb?

Jan Böhmermann. Propaganda statt Satire. Nicht lustig
FOTO: HENNING KAISER/DPA PICTURE ALLIANCE

War früher alles besser? Harmonischer? Einiger? „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, analysierte der große Soziologe Niklas Luhmann 1995 in seinem Essay „Die Realität der Massenmedien“. Das bedeutet nichts anderes, als dass Demokratie ohne Medien nicht möglich ist. Medien in nichtdemokratischen Systemen sind Vervielfältigungsmaschinen oder Lautsprecher, aber sicherlich keine Vierte Gewalt.

Politik ist die eine Seite der Medaille, Medien die andere. Gelegentlich geht das durcheinander, Medien und

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