„Von Merkels Erbe distanzieren“

5 min lesen

INTERVIEW

Der Politikwissenschaftler und frühere Berater der sächsischen CDU Werner Patzelt bezweifelt, dass seine Partei zu einer sinnvollen Strategie finden wird. Der politischen Klasse in Deutschland insgesamt attestiert er Belehrungssucht und Bürgerferne

Tichys Einblick: In diesem Jahr stehen gleich mehrere große Entscheidungen an: Landtagswahlen in Ostdeutschland, Europawahl, eventuell sogar eine vorgezogene Bundestagswahl – nur ein Drittel der Deutschen glaubt noch, dass die Ampel den regulären Wahltermin erreicht. Um mit den Ost-Wahlen zu beginnen: die AfD liegt überall in Führung, soll aber per „Brandmauer“ isoliert werden. Das hieße: Allparteienkoalition gegen die Af D. Wie realistisch wäre das in Sachsen und Thüringen?

Werner Patzelt: Nachdem die CDU tausend heilige Eide geschworen hat, zumindest oberhalb der kommunalen Ebene niemals mit der AfD zusammenzuarbeiten, wird die CDU sich je nach Wahlergebnis führend oder mitmachend an Anti-Af D-Koalitionen beteiligen. Wenn die CDU sich dafür mit der Linken zu einem Tolerierungsbündnis zusammenfinden müsste, wäre das nichts weiter als die wohlverdiente Strafe für die langjährige Verweigerung von normaler Parteienkonkurrenz mit der AfD. Doch ein Zusammenwirken mit der AfD würde die CDU erst recht zerreißen.

In der Bundes-CDU gilt bisher eisern: keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD, auch keine Minderheitsregierung, die von ihr gestützt wird. In Sachsen selbst gibt es einige Politiker, etwa der CDU-Fraktionschef Christian Hartmann, die diese Option offenlassen. Wie wird dieser Konflikt gelöst?

Falls nicht die AfD wegen des Scheiterns anderer Parteien als der Union, der Grünen und der Linken an der Fünfprozenthürde eine absolute Mehrheit erringt, wird sich die CDU gemeinsam mit den Grünen auf eine linkstolerierte Minderheitsregierung einlassen müssen. Ihr wird die AfD als Opposition gegenüberstehen und sehr davon profitieren, dass eine solche Minderheitsregierung eine anhaltende Provokation der klar nichtlinken Bevölkerungsmehrheit Sachsens sein wird.

Werner J. Patzelt, Forschungsdirektor des Mathias Corvinus Collegium in Brüssel
FOTO: TRISTAR MEDIA/GETTY IMAGES

Sie haben die CDU Sachsen lange Zeit beraten. Wie würde Ihre Strategie im Umgang mit der AfD lauten?

Für die sächsische Union gibt es gegen die AfD keine erfolgreiche Strategie mehr. Durch die Koalition mit Grünen und SPD hat sich die CDU nach der letzten Landtagswahl, wie ein Schachspieler es ausdrücken würde, in eine Position begeben, in der sie nun mattgesetzt wird. Hätte die CDU damals den Mut zu einer Minderheitsregierung gehabt, dann wäre das eine realistische Chance gewesen, ein klares Unionsprofil zumindest vorzuzeigen. Jetzt aber verkennt keiner im Sachsenland, dass jede Stimme für die CDU die Grünen auch nach der Landtagswahl an der Mach

Dieser Artikel ist erschienen in...