Hochverrat oder Voodoo?

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DER ÖFFENTLICHE PUTSCH

Der größte Terroristenprozess der Nachkriegszeit soll in diesen Wochen in Stuttgart, München und Frankfurt beginnen. Aber mit jedem Tag wachsen die Zweifel, ob der Monsterprozess nicht doch eher kläglich endet – die Anschuldigungen stolpern auf recht dünnen Beinchen daher

Die 27 angeklagten Reichsbürger könnten buchstäblich unter Aktenbergen begraben werden, wenn es nach dem Generalbundesanwalt geht: Mit 309 790 Seiten in 688 Ordnern tritt die Staatsanwaltschaft in den größten Terroristenprozess der deutschen Geschichte ein; 62,9 Gigabyte gespeicherte Daten in 1240 Ordnern wollen verarbeitet sein.

Was wuchtig klingt und Stimmung macht, entpuppt sich allerdings schnell als fragwürdig: In der Anklageschrift geht es viel um Gerede, Geraune und Gewäsch, mit dem sich Damen und Herren eher fortgeschrittenen Alters in Wut gesteigert haben. Es reichte wohl, um sich selbst zu belügen und gelegentlich auch zu betrügen, sich mit teuren Handys wichtig zu machen, die Müllabladestation des Bundestags auszukundschaften und mit – meist archaischen – Waffen herumzufuchteln wie kleine Jungs im Karneval.

Aber waren wirklich die Mittel für einen gewaltsamen Umsturz vorhanden, wie es eine Anklage belegen müsste, die mit der größten aller denkbaren juristischen Keulen hantiert, nämlich dem Vorwurf des „Hochverrats“, auf den Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bis lebenslang steht? Oder war es nicht eher eine Art in die Jahre gekommener Rotary Club auf Abwegen?

Bei allem Respekt vor den Prädikatsjuristen des Generalbundesanwalts: Mussten sich die Paragrafenreiter nicht das Lachen verkneifen angesichts der ans Lächerliche grenzenden Vorstellungen, über die sie jetzt springen müssen, um die Anklage ans Ziel zu bringen? 900 als Waffen oder Waffenteile „qualifizierte“ Gegenstände werden aufgelistet. Als Waffen „qualifiziert“ werden auch eine Armbrust und historische Flinten. Muss die Gefahr aufgeblasen werden, weil die Substanz zu mager ist? Und was sollte das für ein Staatsstreich werden?

Die Verschwörer um Heinrich XIII. Prinz Reuß kämpften gegen einen „Deep State“, dessen Macht auf weit verzweigten „Deep Underground Military Bases“, kurz DUMBs, beruht. Dort werden Kinder und Babys rituell ermordet, um aus ihrem Blut ein lebensverlängerndes Elixier zu gewinnen. Neu ist die Theorie nicht; sie wird in den USA von der QAnon-Bewegung geteilt und ist eine uralte antisemitische Gräuelideologie. Der Generalbundesanwalt wertet es als „ideologisches Narrativ“, das die Truppe angetrieben habe.

Hoffnung auf die Mächte des Lichts

Durch die Köpfe der Reichsbürger geisterten aber nicht nur Untergangsfantasien. Auf Mächte des Lichts setzten die Reichsbürger. Denn die große Schlacht stand bevor, geführt von einer nicht näher beschriebenen „Allianz“. B

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