DER ERSTE RUNDE TISCH – ABER LEIDER NICHT BEI UNS

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ERINNERUNG

Polen macht vor, wie ein friedlicher Wandel aussehen kann. Aber in Ost-Berlin wird immer noch scharf geschossen. Ein junger Mann zahlt dafür mit seinem Leben

Am 6. Februar 1989 tritt in Warschau ein Runder Tisch zusammen. Er wird im Herbst zum Vorbild für den Runden Tisch in der DDR
Sieben Monate bevor die Mauer fällt, verblutet der junge Ost-Berliner Chris Gueffroy (Foto oben) nach Schüssen von Grenzern am Todesstreifen an der Mauer (links)
Die „Fernsehlieblinge“ bei der Verleihung am 25.2.1989 in Gera. Vorn von rechts: Wolfgang Lippert, Carmen Nebel, Heinz Florian Oertel, Erika Krause, Ellen Tiedtke, Klaus Feldmann, Uta Schorn
Frank Luck holt bei der Biathlon-WM 1989 zweimal Gold.
Bei der Bob-WM 1989 in Italien rast „DDR1“ mit Wolfgang Hoppe und Bogdan Musiol zu Gold

Am 6. Februar 1989 tagt in Polen zum ersten Mal ein „Runder Tisch“, an dem die Oppositionsbewegung Solidarnosc mit ihrem Frontmann Lech Walesa und die kommunistische Führung unter General Wojciech Jaruzelski um die Zukunft des Landes ringen. Die runde Form des Tisches (der damit keinen „Vor-Sitzenden“ hat), ist die erste von vielen Forderungen, die die Opposition durchsetzt. Doch es geht ihr um viel mehr. Die Solidarnosc fordert freie Wahlen, eine Demokratisierung und ein Ende der kommunistischen Diktatur.

Machthaber Jaruzelski lässt sich auf diese Verhandlungen „auf Augenhöhe“ ein, weil er mit dem Rücken zur Wand steht. Das Land ist wirtschaftlich ruiniert, die Regale in den staatlichen Lebensmittelläden leer, die Staatskasse ebenso. Gleichzeitig wird die unabhängige nationale Oppositionsbewegung, die „Solidarnosc“, immer stärker. Schon einmal, im Dezember 1981, hatte Jaruzelski brutal gegen sie durchgegriffen, das Kriegsrecht verhängt und Tausende Solidarnosc-Aktivisten in Lagern interniert. Polen war in der Folge bankrott gegangen, selbst Grundnahrungsmittel mussten rationiert werden. Nun setzt Jaruzelski statt auf erneute Repression auf Verständigung, auf Dialog.

Am Runden Tisch wirbt er um die Unterstützung der Opposition für seinen Reformkurs, der das Ende der Planwirtschaft und die Einführung der Marktwirtschaft vorsieht –und bietet ihr im Gegenzug an, sie an der Macht zu beteiligen. Er willigt ein, dass im Sommer 1989 ein Drittel der Abgeordneten im polnischen Parlament frei gewählt werden soll und dazu auch die Partei der Opposition, das „Bürgerkomitee Solidarnosc“ antreten darf.

In Ost-Berlin verfolgt SED-Chef Erich Honecker die Ereignisse in Polen mit Argwohn. Anders als Jaruzelski will er keineswegs Reformen oder eine Abschaffung der Planwirtschaft oder gar freie Wahlen, bei denen, das ist ihm klar, absehbar wäre, dass die Staatspartei SED abgewählt wird.

35 Jahre M

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