NAH DRAN?

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OB FORMEL 1, FUSSBALL, FOOTBALL ODER TENNIS: AUCH ABSEITS DERSTRE-CKEN UND SPORTPLÄTZE WIRD (FAST) ALLESGE-FILMT – UND FAST TÄGLICH KOMMEN NEUESPORT-DOKUS AUF DEN MARKT. DAS GENRE BEGEISTERT MILLIONEN VON FANS. DOCH WIE AUTHENTISCH IST DAS ALLES?

COLLAGE: THE SPORTING PRESS
FOTO: IMAGO

WIE IN ALLER WELT KONNTE DAS NUR PASSIEREN? DAS IST DIE FRAGE, DIE MAN SICH IMMER WIEDER STELLT, WENN MAN DIE DOKU „ALL OR NOTHING: DIE NATIONALMANNSCHAFT IN K ATA R “ GUCKT. NATÜRLICH WA R ES ALS WIN-WIN-WIN-SITUATION GEPLANT GEWESEN:

Der DFB kriegt zwischen fünf und sechs Millionen Euro und eine Hochglanzdoku über ein Team, das allen Widrigkeiten trotzt, die eine WM ein Katar nun mal mit sich bringt. Die Mannschaft rehabilitiert sich für das frühe Scheitern bei Turnieren davor und versöhnt die Fans daheim bestenfalls mit dem Pokal. Amazons Streamingdienst Prime kriegt exklusiven Zugang für seine „All or Nothing“-Reihe, die unter anderem schon das Rugby-Team Neuseelands, Juventus Turin und die NFL-Franchise Philadelphia Eagles begleitet hat. Und die Fans kriegen eine mitreißende Doku, mit der sie ein Jahr später in freudigen Erinnerungen schwelgen.

Was es wurde: ein authentisches Dokument darüber, wie bedrückend das alles gewesen sein muss in Katar, vor allem für die Spieler, hin-und hergerissen zwischen Politik und Sport sowie Druck von sportlicher wie gesellschaftlicher Seite. Über den Trainer Hansi Flick, der irgendwann die Welt nicht mehr versteht, weil diese Spieler ihn nicht mehr verstehen. Funktionäre, die hilf los zusehen, wie alles in sich zusammenfällt wie der Lego-Turm eines Zweijährigen. Freigeschaltet in der Woche, in der die Nationalelf wieder gegen Japan verliert, Flick gefeuert wird und Matthias Sammer kurz zuvor von der größten Krise des deutschen Fußballs der jüngeren Vergangenheit spricht: „Seien wir doch mal ehrlich: Wir liegen am Boden!“.

Die Doku ist ein „Win“ für Amazon Prime und jene Zuschauer, die mal Mäuschen spielen wollten in Kabine, Bus und Hotel und die bestätigt bekamen, was sie befürchtet hatten. Es ist freilich ein „Lose“ für den DFB, und damit sind wir auch schon mittendrin in der Debatte, warum Sport-Dokus derart en vogue sind derzeit – kaum ein Sujet, das nicht verfilmt wird, immer mit dem Versprechen: exklusiver Zugang, extrem nah dran, nichts bleibt verborgen.

Die einfache Antwort („Weil die Leute sie gucken“) wäre viel zu kurz gegriffen; die bessere lautet: weil die Leute dann auch den Sport selbst gucken. Eine Umfrage im März 2022 zeigte zum Beispiel, dass 53 Prozent derer, die in den USA regelmäßig Formel-1-Rennen gucken, das nur wegen der Netf lix-Doku-Serie „Drive to Survive“ tun. Nur Sportwetten hatten in den vergangenen fünf Jahren mehr Einf luss auf Einschaltquoten als Dokus. Die Rechnung beim Wetten, das in immer mehr Lände