Tödliche Schlangenbisse

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MEDIZIN

Jedes Jahr sterben mehr Menschen an Giftschlangenbissen als in den zurückliegenden 50 Jahren zusammengenommen an Ebola. Betroffen sind vor allem Länder mit niedrigem Durchschnittseinkommen.

MGKUIJPERS / STOCK.ADOBE.COM

Wie entzieht man einer Schlange ihr Gift? Das demonstriert der Wildtiertechniker Jorge Asprilla in einem zweistöckigen Backsteingebäude unweit des Botanischen Gartens in Medellín (Kolumbien). Zuerst benutzt er einen Metallhaken mit verlängertem Griff, um eine drei Meter lange Grubenotter zu fangen. Dann umfasst er den Kopf des Tiers, wobei er darauf achten muss, nicht gebissen zu werden –eine Fähigkeit, die er nach mehr als 25 Jahren Arbeit mit dutzenden Giftschlangenarten perfektioniert hat.

Bald hat Asprilla den spatenförmigen Kopf der Schlange fest im Griff und ihren muskulösen Körper zwischen seinen Beinen eingeklemmt. Das Reptil gehört zu den Gewöhnlichen Lanzenottern (Bothrops atrox), einer Spezies, die man in der Region unter dem Namen Mapaná kennt. Sie ist für die meisten Schlangenbisse in Kolumbien verantwortlich. Asprilla wurde zweimal gebissen, seit er an der Universidad de Antioquia arbeitet, aber er möchte nicht näher darauf eingehen. »Duele mucho«, sagt er nur (»Es tut sehr weh«).

In Kolumbien werden jährlich etwa 5000 Menschen von Giftschlangen verletzt; für 20 bis 40 von ihnen endet das tödlich. Obwohl das Land über die Mittel verfügt, große Mengen des Gegengifts (fachsprachlich: Antivenom) herzustellen und zu verteilen, erhalten etwa 20 Prozent der Gebissenen kein solches Präparat. Weltweit sind es sogar bis zu 2,7 Millionen Menschen jährlich, die toxische Schlangenbisse erleiden. Von diesen tragen bis zu 400000 eine dauerhafte Behinderung davon, und schätzungsweise 80000 bis 140000 sterben. Wenn es um Gesundheitsgefahren geht, stehen Schlangenbisse deutlich weniger im Fokus als pathogene Viren und Bakterien, doch die enormen Opferzahlen machen sie zu den tödlichsten vernachlässigten Tropenkrankheiten.

Todbringer und Lebensretter

Asprilla führt den Haken in das Maul der Lanzenotter ein und platziert ihn direkt hinter ihren blassen, gebogenen Giftzähnen. Als er ihren Kopf massiert, sickert ein goldener Tropfen aus einem Zahn. Die Flüssigkeit kann Tod oder Leben bringen: Sie kann einen Menschen binnen Tagen töten, aber auch zur Herstellung eines Antivenoms dienen, das die fatalen Folgen eines Bisses verhindert. Obwohl die Gegengiftproduktion ein lange etabliertes Routineverfahren ist, sterben nach wie vor zahlreiche Menschen, nachdem sie von Schlangen gebissen wurden. Asprilla arbeitet bei einem Projekt mit, das sich zum Ziel gesetzt hat, dies zu ändern.

Giftschlangen sind vor allem in Ländern mit niedrigem Durchschnittseinkommen ein Problem, aber nicht nur dort. In Australien beispielsweise gibt es zahlreiche toxische Reptilienarten. Doch w

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