Wenn Eltern ein Lieblingskind haben

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BEVORZUGUNG

In vielen Familien gibt es ein Kind, das sich von den Eltern benachteiligt fühlt. Der Eindruck trügt nicht: Tatsächlich bevorzugen Mütter und Väter häufig eines ihrer Kinder. Aber welches? Und was bedeutet das für das Kind?

OZGURCANKAYA / GETTY IMAGES / ISTOCK (SYMBOLBILD MIT FOTOMODELLEN)

Ein Vater hat zwölf Söhne. Einen mag er besonders gern. So gern, dass er ihn klar bevorzugt und ausnehmend gut einkleidet. An den Brüdern geht das nicht spurlos vorbei: Kurzerhand verkaufen sie das Lieblingskind des Vaters in die Sklaverei.

So erzählt es zumindest das Buch Genesis, in dem die Geschichte von Josef, dem Sohn Jakobs, niedergeschrieben ist. Auch abseits der Bibel ist elterliche Liebe bisweilen ungleich verteilt: Obwohl die meisten Menschen sich Mühe geben, alle ihre Kinder gleichermaßen zu lieben, sind doch einige einem ihrer Sprösslinge mehr zugeneigt. Wie häufig das der Fall ist, zeigt eine Studie, für die Forscherinnen und Forscher der University of California in Davis 384 Geschwisterpaare und deren Eltern beobachteten. Ihr Fazit: 65 Prozent der Mütter und 70 Prozent der Väter hatten ein Lieblingskind.

Ähnliche Zahlen liefert eine Untersuchung aus dem Jahr 2009von einemTeam um Jill Suitor von der Purdue University. Die Gruppe nutzte den Datensatz der Within-Family Differences Study, einer großen Längsschnittstudie in den USA, die die Beziehungen zwischen Eltern, Kindern und Enkelkindern analysiert. Befragungen von rund 300 Familien ergaben, dass knapp die Hälfte der erwachsenen Kinder den Eindruck hatten, ihre Mutter hätte sie und ihre Geschwister in der Kindheit manchmal oder häufig unterschiedlich behandelt. Zum Zeitpunkt der Befragung waren sogar rund 86 Prozent der Versuchspersonen davon überzeugt, dass ihre Mutter eines der Kinder bevorzugte. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang von »favoritism«.

Erstgeborenes oder Nesthäkchen: Wer bevorzugt wird, ist unterschiedlich

Welche Umstände dafür sorgen, dass ein Kind zum Liebling avanciert, lässt sich nur schwer sagen. Das hängt auch damit zusammen, dass Bevorzugung und Benachteiligung eng mit subjektiven Empfindungen verknüpft sind: Kommt ein Geschwisterchen zur Welt, wird das erste Kind erst einmal unsanft vom Thron gestoßen. Das kratzt automatisch am Selbstbewusstsein und kann so dafür sorgen, dass der oder die Erstgeborene sich anschließend weniger geliebt fühlt.

Das Team von der University of California beobachtete 2005, dass das Lieblingskind der Väter meistens die jüngste Tochter ist. Mütter bevorzugen hingegen vielfach den ältesten Sohn. Alexander Jensen von der Brigham Young University und Susan McHale von der Pennsylvania State University in Henderson kamen 2017 wiederum zu dem Schluss, dass die jüngeren Geschwister oft ganz grundsätzlich eine engere Bindung an die Eltern haben. Sow

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