BLICK INS INNENLEBEN DER TIERE

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VERHALTEN

Wie erzeugt das tierische Gehirn Emotionen und andere innere Zustände wie Aggression oder Verlangen? Um das herauszufinden, setzen Forscher ganz neue Methoden ein und werten Berge von Daten aus.

Alison Abbott arbeitet als Korrespondentin für die Fachzeitschrift »Nature« in München. Sie schreibt vor allem über Neurowissenschaften, Genetik, Physiologie und Wissenschaftspolitik.
CHALABALA / GETTY IMAGES / ISTOCK

Es war im Jahr 2018, als die Neurowissenschaftler Jennifer Li und Drew Robson plötzlich auf Neurone mit »übersinnlichen« Fähigkeiten stießen. Sie wühlten sich gerade durch Terabytes an Daten zu einem Experiment mit Zebrafischlarven und wollten eigentlich herausfinden, wie sich die Hirnaktivität der Tiere während der Nahrungssuche verändert. Mit ihrer neuen Versuchsapparatur, die sie an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts) gebaut hatten, konnten sie jede einzelne Nervenzelle der transparenten und wimperngroßen Tierchen betrachten, die in einer Wasserschale von 35 Millimeter Durchmesser umherschwammen und ihre mikroskopische Beute jagten.

Die geheimnisvollen Neurone sagten mit ihrer Aktivität voraus, wann eine Larve als Nächstes einen Happen fangen und herunterschlucken würde. Einige der Zellen reagierten bereits viele Sekunden, bevor das Tierchen seinen Blick auf die Beute richtete. Und sie feuerten dabei auch ungewöhnlich ausdauernd: nicht über Sekunden, wie es für die meisten Hirnzellen typisch ist, sondern über Minuten – und somit in etwa so lange, wie die Jagd andauerte. »Es war unheimlich«, so Li. »Nichts davon ergab Sinn.«

Die beiden Forscher begannen zu recherchieren und begriffen nach und nach, was es mit den Neuronen auf sich hatte: Diese stellten einen »inneren Verhaltenszustand« her (Englisch: »brain state«). Hierbei erzeugt ein neuronales Netzwerk ein andauerndes Aktivierungsmuster, welches das Lebewesen auf ein bestimmtes Verhalten vorbereitet, etwa die Nahrungsaufnahme. Auch weitere Arbeitsgruppen hatten in den Jahren zuvor mehreresolcherZuständeentdeckt,allerdings mit anderen Methoden und bei anderen Arten. Den Aktivierungen war gemein, dass sie das Verhalten sogar dann beeinflussten, wenn sich in der Umgebung der Tiere nichts veränderte.

Genau

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