DER LEBENDE TASER

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ZITTERAAL

Zitteraale jagen ihre Beute mit intensiven elektrischen Impulsen. Diese setzen sie außerdem geschickt zur Verteidigung ein. Ausgeklügelte Messungen und schmerzhafte Selbstversuche liefern erstaunliche Einsichten in das Verhalten der Tiere.

Kenneth C. Catania ist Professor für Biologie an der Vanderbilt University in Tennessee. Er forscht auf dem Gebiet der vergleichenden Neurobiologie und hat sich auf die Sinnessysteme von Tieren spezialisiert.
FOTO: DAVID LIITTSCHWAGER

Zitteraale betäuben ihre Beute – das ist weithin bekannt. Berichte dazu reichen Jahrhunderte zurück. Der Begriff »Betäuben« ist aber aus wissenschaftlicher Sicht viel zu vage. Was passiert wirklich, wenn die Fische angreifen? Bis vor Kurzem wussten Biologen überraschend wenig darüber.

Ursprünglich hatte ich gar nicht die Absicht, dieses außergewöhnliche Phänomen näher zu untersuchen, und erst recht hätte ich mir nie vorstellen können, im Namen der Forschung einmal einem Exemplar meinen Arm anzubieten. Wie kam es dazu? Als Professor für Biologie wollte ich meine Lehrveranstaltungen mit Fotos und Zeitlupenfilmen von Zitteraalen aufpeppen. Eines Tages nahm ich ein paar Exemplare mit in mein Labor. Da beobachtete ich etwas so Seltsames, dass ich alles andere stehen und liegen ließ, um mich fortan intensiv damit zu beschäftigen.

Als einer der mitgebrachten Zitteraale ein Beutetier mit einer Hochspannungssalve angriff, wurden innerhalb von drei Millisekunden alle in der Nähe befindlichen Fische im Tank völlig unbeweglich. Sie trieben wie erstarrt im Wasser. Zunächst dachte ich, sie seien tot. Aber sobald der Zitteraal die Hochspannung wieder abstellte, wachten die Fische auf und schwammen rasch von dannen. Die Auswirkungen des Angriffs waren also nur vorübergehend. Das faszinierte mich enorm, und nun wollte ich unbedingt mehr darüber herausfinden.

Mir fielen als offensichtlichste Analogie sofort die als Taser bekannten Elektroschockpistolen ein. Diese setzen die Opfer mit Hochspannungsimpulsen außer Gefecht, welche die Fähigkeit des Nervensystems beeinträchtigen, willkürliche Muskelbewegungen auszulösen. Taser schießen Kabel ab, durch die sie 19 Stromimpulse pro Sekunde schicken. Zitteraale brauchen dazu gar keine Drähte, denn das Wasser leitet gut. Sie können während einer Angriffssalve mehr als 400 Impulse pro Sekunde mit einer jeweiligen Dauer von zwei Millisekunden abgeben. Sind die Tiere quasi schwimmende Hochleistungs-Taser?

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