WALDWEIDE WIEDERBEL EBUNG EINER ALTEN TRADITION

8 min lesen

Lange hielten wir das Vieh draußen und trieben es zum Fressen in den Wald. Dort ersetzte es Großtiere wie Wisent und Auerochsen. Jetzt kehrt diese Landnutzung langsam zurück.

Gunther Willinger ist Biologe und Wissenschaftsjournalist in Tübingen, guntherwillinger.de.
ALBYDETWEEDE / GETTY IMAGES / ISTOCK

Galloway-Rinder fressen Buchenlaub, Exmoor-Ponys knabbern an den Blättern des Weißdorns und Wisente freuen sich über frisches Eichengrün. Dass große Weidetiere sich von Natur aus nicht nur von Gräsern und Kräutern, sondern auch von Laub und Rinde ernähren, ist schon fast in Vergessenheit geraten. Aber noch bis ins 19. Jahrhundert war die Waldweide weit verbreitet. Rinder, Schweine und Pferde, aber auch Ziegen, Schafe und Gänse wurden in den Wald getrieben, wo sie das fraßen, was der Wald hergab.

Zur Zeit der Allmende, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, wurden die Wälder und Weiden um die Dörfer gemeinschaftlich genutzt. Die Bauern schnitten Futterlaub im Wald und trieben ihre Schweine zur Eichelmast hinein. Über Jahrhunderte war die Waldweide Grundlage für die Selbstversorgung der Bevölkerung. Mit dem steigenden Holzbedarf für Erzschmelzen, Salzsieden und Glashütten gerieten Waldweide und Holzschlag zunehmend in Konkurrenz, und viele Wälder wurden durch die Doppelbelastung stark übernutzt. Gleichzeitig begann die herrschende Klasse aus Kirche, Adel und reichem Bürgertum den Gemeinschaftswald der Bauern in ihr Eigentum zu überführen. In immer mehr Wäldern wurde eine strenge Trennung von Forst- und Landwirtschaft durchgesetzt und die Waldweide verboten. Viele Bauernfamilien mussten die Landwirtschaft aufgeben und in die Stadt ziehen. Traditionelle Formen der bäuerlichen Waldbewirtschaftung wie Waldweide, Mittel- oder Niederwald wurden vielerorts durch dunkle Nadelwälder ersetzt oder blieben der herrschaftlichen Jagd vorbehalten.

Mit Folgen, die der niederländische Biologe Frans Vera schon seit den 1980er Jahren am Einfluss von Tieren auf Vegetation und Landschaft erforscht. Zu viele Hirsche, Rehe oder Nutztiere im Wald verhindern die Naturverjüngung, also das Nachwachsen junger Bäumchen. Trotzdem ist für Vera der Wald nur komplett, wenn darin auch große Pflanzenfresser wie Hirsche, Rinder und Pferde leben. Denn in der richtigen Dosierung sorgen sie für lichte Wälder und lassen in der Übergangszone von Wald und Offenland einen reich strukturierten Lebensraum entstehen. Das mag den Holzertrag reduzieren, ist aber wichtig für andere Waldfunktionen wie Erholung, Klimaschutz und Schutz der Artenvielfalt.

KONIK-PFERDE IN OOSTVAARDERSPLASSEN | Auf wilden Weiden sind die Tiere meist das ganze Jahr draußen und werden nur im Notfall zugefüttert.
GUNTHER WILLINGER

Denn vor ihrer Ausrottung trugen Wisent, Auerochse und Wildpferd zur Strukturvielfalt in den Wäldern bei – eine F

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel