ROGGENS

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RENAISSANCE DES

Roggen hat viele Vor teile, spielt als Brotgetreide aber nur noch eine untergeordnete Rolle. For tschritte in der Pflanzenzucht könnten ihn wieder begehr ter machen – vor allem in Zeiten des Klimawandels.

BASIEB / GETTY IMAGES / ISTOCK

Wer im Sommer zwischen Feldern wandert, hat es vielleicht schon beobachtet: Manchmal liegen große Teile eines Getreidefelds wie platt gedrückt am Boden. Dabei handelt es sich oft um Roggen, der »ins Lager gegangen« ist, wie Landwirte sagen. Weil diese Getreideart lange Halme ausbildet, wird sie vom Wind und von ihrem Eigengewicht leicht niedergedrückt. Jahrzehntelang hat die Züchtungsforschung versucht, das Problem in den Griff zu bekommen. Jetzt vermeldet ein wissenschaftliches Projekt unter Leitung des Julius Kühn-Instituts (JKI) in Groß Lüsewitz einen Durchbruch. Und nicht nur das: Die Fachleute vom JKI sind überzeugt, dass die Nachfrage nach Roggen steigen wird, wenn der Klimawandel voranschreitet.

Anders als Weizen oder Gerste gehört Roggen nicht zu den Getreidearten, die während des frühen Ackerbaus in der Region des »Fruchtbaren Halbmonds« domestiziert wurden. Die empirischen Befunde deuten darauf hin, dass er ursprünglich von Wildgräsern abstammte, die – als Unkräuter – in Gerste- oder Weizenfeldern wuchsen. Als der Getreideanbau in Nordeuropa angekommen war, sorgte der ungewollt beigemischte Samen für eine Überraschung: Während Weizen und Gerste sich im rauen Klima auf mageren, sandigen Böden schwertaten, brillierte dort der anspruchslose Roggen. Germanen, Kelten und Slawen kultivierten ihn daher als bevorzugtes Brotgetreide. Mehr als ein Jahrtausend lang war weithin Roggen gemeint, wenn die Menschen von »Korn« sprachen.

Erst mit der grünen Revolution um die Mitte des zurückliegenden Jahrhunderts änderte sich das. »Die Roggenzüchtung konnte im 20. Jahrhundert nicht mithalten mit der Modernisierung in der Landwirtschaft«, berichtet Bernd Hackauf vom JKI. »Die erste Mähdrescher-Generation ist am langen Roggenstroh regelrecht erstickt.« Bei Weizen hingegen gelang es Züchtern bald, die Halmlänge zu kürzen, Krankheitsresistenzen zu verbessern, Flächenerträge zu steigern und Winterhärte einzukreuzen. Das ermöglichte es den Landwirten, diese Getreideart dort anzubauen, wo zuvor nur Roggen gedieh.

Ins Hinter treffen geraten

In Deutschland wächst Roggen heute auf insgesamt 0,6 Millionen Hektar Land – ein Fünftel der Fläche, die für Weizenanbau verwendet wird. Selbst mit diesem geringen Anteil ist Deutschland der größte Roggenproduzent der Welt. Europaweit stellt die einstmals so verbreitete Ackerpflanze kaum noch drei Prozent der jährlich erzeugten rund 270 Millionen Tonnen Getreide. Außerhalb Europas wird sie gänzlich zum Exoten.

»Anfang des 20. Jahrhunderts waren in Deutschland noch 43 Betriebe in die Roggenzüchtung involviert,

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