JEDES JAHR STERBEN VÖGEL AM HELL ERLEUCHTETEN POST TOWER

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VOGELZUG

Millionen von Vögeln – vom Wintergoldhähnchen bis zum Weißstorch – kommen im Frühjahr aus ihren Winterquartieren zurück nach Mitteleuropa, um zu brüten. Für viele der Tiere endet der Vogelzug vorzeitig und tödlich: Sie kollidieren mit Gebäuden. Eine Fallstudie.

Joachim Budde ist freier Wissenschaftsreporter in Bonn.

CJ_ROMAS / GETTY IMAGES / ISTOCK

Graue Wolken ziehen über den Post Tower in Bonn. Vom Rhein weht ein kalter Wind herauf. Heiko Haupt blickt die gläserne Fassade der Post-Konzernzentrale hinauf zu ein paar Dutzend Bürofenstern, die in der Dämmerung dieses Abends Anfang März hell erleuchtet sind. Auch die Notbeleuchtung in den Treppenhäusern ist von außen deutlich zu erkennen. Es ist Vogelzug-Zeit. Und diese Lichtquellen können für Zugvögel zur Todesfalle werden.

Wie genau, das hat der Biologe in den vergangenen 15 Jahren immer wieder beobachtet – vor allem in den Hauptmonaten des herbstlichen Vogelzugs. Ganze Nächte lang hat er die Vögel am Turm beobachtet, tote Tiere eingesammelt und bestimmt. Seine Erkenntnisse sind in einer Fallstudie nachzulesen, die im »Journal of Ornithology« erschienen ist.

Der Post-Turm besteht aus zwei Teilen, deren Grundflächen Kreissegmente sind. Aus der Luft betrachtet sieht es aus, als hätte jemand aus einer 41-stöckigen Torte die Mitte herausgeschnitten und die beiden verbliebenen Stücke aneinandergeschoben. Ganz oben prangen in Gelb und Rot die Logos der »Deutsche Post DHL Group« (DPDHL). Der Turm steht genau quer zur Hauptrichtung des Vogelzugs. Eine Glasfassade ist nach Nordnordwest ausgerichtet, die andere nach Südsüdost.

Hinter 1000 Fenstern jeder Fassade sind farbige Leuchtstoffröhren installiert, die sich so ansteuern lassen, dass bunte Bilder über die gesamte Höhe des Turms entstehen. Die Fassaden sind demnach zwei riesige Flachbildschirme mit lausiger Auflösung. Lange Jahre hat das Unternehmen die Fassade in den ersten Nachtstunden in Blau, Gelb und Rot erstrahlen lassen. Zu besonderen Anlässen zeigte es Bilder darauf – zu Weihnachten etwa einen Tannenbaum, zum Beethovenfest einen Notenschlüssel. Egal, welche Motive zu sehen waren: Für viele Zugvögel erwies sich die massive Lichtbarriere auf ihrer Route als fatal. Die meisten toten Vögel hat Heiko Haupt in der Passage gefunden, also in dem breiten Durchgang zwischen dem Turm der Deutsche-Post-Zentrale und der »Post Tower Lounge«, dem dreistöckigen Glasbau direkt nebenan.

Glasfassaden, zumal erleuchtete, sind schon lange als große Bedrohung für Vögel bekannt, beispielsweise der neue Berliner Flughafen und mehrere Bauten im Berliner Regierungsviertel. Worin genau die Bedrohung besteht, erklärt der Ornithologe Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach. Vögel hätten zwar ausgezeichnete Augen, sagt er, trotzdem übers

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