Wenn das Mutterglück ausbleibt

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Die meisten Mütter spüren eine tiefe Verbundenheit zu ihrem Neugeborenen, die sie gut für ihr Baby sorgen lässt. Bleibt sie aus, spricht man von einer postpartalen Bindungsstörung – ein Phänomen, das bisher kaum erforscht ist. Was kann den Betroffenen helfen?

UNSERE EXPERTIN Marlene Krauch ist promovierte Psychologin, Verhaltenstherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Psychologie der Universität Heidelberg. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte sind Bindungsstörungen.

So unterschiedlich wir Menschen sind, in manchem gleichen wir uns doch sehr. Ein Beispiel dafür ist die so genannte Belohnungsantwort: Auf leckeres Essen oder sexuelle Signale etwa reagiert das Gehirn bei jedem von uns ähnlich – und genauso auf bestimmte zwischenmenschliche Botschaften.

Das Belohnungssystem frischgebackener Mütter spricht normalerweise stark auf das eigene Kind an. Das konnte etwa ein Team um den Mediziner Lane Strathearn von der University of Iowa in einer 2008 publizierten Studie zeigen. Es präsentierte Frauen, die einige Monate zuvor zum ersten Mal Mutter geworden waren, Fotos vom eigenen Nachwuchs und von ihnen unbekannten, etwa gleich alten Babys im Kernspintomografen. Dabei stellte sich heraus, dass die Nervenzellen in bestimmten Bereichen des Belohnungssystems, genauer im ventralen Striatum, im ventralen tegmentalen Areal sowie in der Substantia nigra, bei Bildern des eigenen Neugeborenen stärker feuerten – ein Hinweis darauf, dass dieses ein ganz besonderes Glücksgefühl auslöst, das die Reaktion auf alle anderen Babys übersteigt.

Mütter sind meist richtiggehend verliebt in ihre Babys. Das bringt nicht nur positive Empfindungen und Gedanken mit sich, sondern ebenso typische Verhaltensweisen, etwa häufige Berührungen, Anlächeln und Augenkontakt. Dabei spielen neben Arealen, die direkt mit dem Belohnungserleben assoziiert sind, auch solche Bereiche eine Rolle, die für Emotionen und ihre Verarbeitung zuständig sind, etwa die Amygdala, die Insula sowie der anteriore zinguläre und der orbitofrontale Kortex.

Wichtig fürs Überleben

Die Prozesse im Gehirn sowie die damit assoziierten Emotionen und Verhaltensweisen haben eine wichtige biologische Funktion: Sie sind die Grundlage für die intensive Bindung, die in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt bei den meisten Müttern entsteht. Nur so ist es möglich, dass diese sämtliche körperliche Res- sourcen freisetzen, um gut für ihren Nachwuchs zu sorgen – was letztlich dessen Überleben sichert.

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Die Serie »Fallstricke der Elternschaft« im Überblick:

Teil 1: Wenn das Mutterglück ausbleibt / »Die Probleme der Väter werden noch oft übersehen« (Heft 5/2024)

Teil 2: Übermäßige Sorge ums Baby (Heft 6/2024)

Teil 3: Will ich überhaupt Kinder?

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