»Die Probleme der Väter werden noch oft übersehen«

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Im Interview erklärt die Medizinerin Sarah Kittel-Schneider, warum auch Männer nach der Geburt eines Kindes an einer Depression erkranken können.

Bei Frauen hängt eine Wochenbettdepression häufig mit hormonellen Veränderungen nach einer Geburt zusammen. Warum können auch Väter daran erkranken?

Das ist eine bislang kaum untersuchte Frage, mit der wir uns in meiner Arbeitsgruppe beschäftigen. Bei Frauen wird eine Wochenbettdepression – die so genannte postpartale Depression – ebenfalls nicht immer nur durch Hormone ausgelöst. Die Geburt eines Kindes ist ein einschneidendes Lebensereignis und bedeutet eine große Umstellung, sowohl für Frauen als auch für Männer. Sie müssen sich in ihrer neuen Rolle als Eltern einfinden. Die Probleme der Väter werden noch oft übersehen. Haben Männer eine gewisse Veranlagung für depressive Symptome, könnte das eine postpartale Depression erklären. Zudem treten bei Vätern während der Schwangerschaft und nach der Geburt ebenfalls hormonelle Veränderungen auf, wenn auch in geringerem Maß als bei den Frauen. Beispielsweise fällt bei ihnen der Testosteronspiegel während der Schwangerschaft bis zu drei Monate nach der Geburt ab. Das könnte ein Risikofaktor für eine postpartale Depression sein. In einer unserer Untersuchungen hatten Väter mit depressiven Symptomen niedrige Testosteronwerte. Auch die Stresshormone verhalten sich in dieser Zeit anders, allerdings ist der Zusammenhang hier komplizierter.

Inwiefern?

Akuter Stress sorgt für mehr Stresshormone wie Kortisol im Blut. Bei einer chronischen Belastung gehen die Botenstoffe aber tendenziell zurück – der Körper reagiert also auf kurzfristigen und lang anhaltenden Stress unterschiedlich. Bei Vätern haben wir in der Zeit um die Geburt eher niedrige Mengen von Stresshormonen gefunden. Deutliche depressive Symptome hingegen waren mit erhöhten Kortisolwerten drei Monate nach der Geburt assoziiert.

TOMWANG112 / GETTY IMAGES / ISTOCK (SYMBOLBILD MIT FOTOMODELLEN); BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISENSCHAFT

Auf einen Blick: Stimmungstief am Wochenbett

1 Männer mit einer Veranlagung für depressive Symptome erkranken vermutlich eher an einer postpartalen Depression.

2 Häufiger als Frauen reagieren Männer dann auch mal gereizt oder aggressiv statt traurig und melancholisch.

3 Nach der Geburt eines Kindes wirkt sich die psychische Gesundheit von Vätern auf die der Mütter aus und umgekehrt.

Ist die Wochenbettdepression bei Männern als eigene Diagnose anerkannt?

Schon bei Frauen wird das als eine Unterform der Depression angesehen, die vor allem über den Zeitpunkt des Auftretens definiert ist. Als postpartale Depression bezeichnet das Klassifikationssyst

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