Tiere, die voneinander lernen

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EVOLUTION

Die menschliche Kultur soll auf unserer in der Tierwelt einzigar tigen Fähigkeit beruhen, dass wir von unseren Artgenossen mehr lernen, als wir es allein im ganzen Leben durch eigene Erfahrung könnten. Zwei Studien lassen jedoch darauf schließen, dass wir sie mit Hummeln und Schimpansen teilen.

Alex Thornton ist Zoologe und leitet am Centre for Ecology and Conservation der University of Exeter eine Forschungsgruppe zum Thema Verhaltensökologie.

Sie und ich sind biologisch gesehen beide afrikanische Primaten, doch ich schreibe diesen Text auf einem Laptop in Cornwall, während Sie ihn vielleicht in Colombo, Caracas oder Canberra lesen. Darin spiegelt sich eine der bemerkenswertesten Eigenschaften der menschlichen Spezies wider: Wir verbreiten Innovationen, bauen auf ihnen auf und verbessern so ständig unser Können und unsere Technologien – ein Phänomen, das man als »kumulative Kultur« bezeichnet. Neuere Arbeiten beleuchten das Potenzial anderer Tiere, eine Fähigkeit zu demonstrieren, die für eine solche erforderlich sein könnte. Die eine veröffentlichten Fachleute um Alice Bridges im März 2024 in »Nature«, die zweite erschien zeitgleich in »Nature Human Behaviour« und stammt von einem Team um Edwin van Leeuwen.

Menschen verbessern kontinuierlich ihre Kulturgüter, zu denen etwa Werkzeuge und Technologien zählen. Das hat es unserer Spezies erlaubt, sich über den gesamten Globus auszubreiten, Ökosysteme zu verändern und in die entlegensten Winkel des Weltraums zu blicken. Andere Tiere zeigen zumindest im Ansatz bescheidene Formen einer kumulativen Kultur. Zum Beispiel verfeinern Brieftauben (Columba livia) die Effizienz ihrer Flugrouten, indem sie voneinander lernen. Doch die menschliche kumulative Kultur mit ihrem gigantischen Ausmaß übersteigt eindeutig alles, was in der natürlichen Welt beobachtet wurde. Warum ist das wohl so? Ein einflussreicher Erklärungsansatz geht davon aus, dass unter den Tieren nur Menschen von anderen Dinge lernen können, die über das hinausgehen, was sie unabhängig voneinander entdecken und erfinden könnten. Ihr angesammeltes Wissen übersteigt somit jenes in der »Zone latenter Lösungen«, das sich jedes Individuum selbst erschließen kann. Die Arbeiten der Teams um Bridges und van Leeuwen befassten sich mit zwei sehr unterschiedlichen Tierarten, doch zusammen lassen sie ernsthafte Zweifel an dieser angeblichen menschlichen Ausnahmeerscheinung aufkommen.

In einer Auffangstation in Sambia stellte van Leeuwens Team zwei Gruppen von Schimpansen (Pan troglodytes) eine mehrstufige Aufgabe. Um eine Belohnung in Form von Erdnüssen zu erhalten, musste ein Affe eine Holzkugel holen, dann eine Schublade an einem Automaten aufziehen und sie offen halten, um die Kugel einzuwerfen. Sobald er die Schublade schloss, gab das Gerät eine

Portion Nüsse aus (siehe »Lerne

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