Die Seehundlaus ist die Königin des Klammergriffs

2 min lesen

TIERISCHE SUPERKRÄFTE

ANIKA PREUSS, UNIVERSITÄT KIEL

Die größten Kräfte scheinen oft in den kleinsten Lebewesen zu stecken – zumindest im Verhältnis zu ihrer Körpergröße. Der Teuflische Eisenplattenkäfer (Nosoderma diabolicum) hat einen derart stabilen Rückenpanzer, dass es ihm nichts ausmacht, von einem Auto überrollt zu werden. Und die Fäden der Spinne Caerostris darwini gelten als das reißfesteste Material der Erde. Nun fügt eine Forschungsgruppe der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel den tierischen Rekorden einen weiteren hinzu. Das Team konnte in Laborexperimenten zeigen, dass die Seehundlaus (Echinophthirius horridus) sich mit dem 18 000-Fachen ihres eigenen Körpergewichts an den Haaren ihrer Wirtstiere festklammern kann. »Damit weisen die Seehundläuse die höchsten Haltekräfte auf, die unseres Wissens jemals bei Insekten gemessen wurden«, schreiben die Forscher in der im Fachjournal »Communications Biology« veröffentlichten Arbeit.

ANIKA PREUSS, UNIVERSITÄT KIEL

Insekten sind die vielfältigste und artenreichste Tiergruppe der Erde, sie kommen in fast allen Lebensräumen vor. Trotz ihrer weiten Verbreitung an Land ist ihr Vorkommen im Meer erstaunlich gering. Es existiert nur eine einzige Insektengruppe mit lediglich 13 Arten, die über längere Zeiträume im offenen Meer überleben kann. Eine davon ist die Seehundlaus. Der nur zwei Millimeter große Parasit befällt marine Wirtstiere wie Seehunde oder Kegelrobben, hält sich in deren Fell fest und saugt ihr Blut. Doch auch wenn das Tierchen im ersten Moment unscheinbar wirkt, offenbart es auf den zweiten Blick wahre Superkräfte. Die Seehundlaus übersteht festgeklammert am Wirtstier tiefe Tauchgänge, extremen Salzgehalt, Sauerstoffmangel, große Temperaturschwankungen und verliert auch bei hohen Schwimmgeschwindigkeiten nicht den Halt. Ließe sie sich bei Schwimmgeschwindigkeiten von etwa 18 bis 20 Kilometern pro Stunde abschütteln, würde das den Verlust ihres Lebenselixiers und damit den sicheren Tod der Laus bedeuten. Deshalb setzt sie alles daran, sich sicher und dauerhaft festzukrallen.

»Parasiten wie die Seehundlaus sind perfekt an die Lebensbedingungen im Meer angepasst und verfügen über außergewöhnliche Werkzeuge, um sich am Fell von Robben festzuklammern«, erklärt Biologin und Erstautorin Anika Preuss laut einer Pressemitteilung der Universität Kiel. Im Gegensatz zu anderen Läusearten, die sich von außen an ihre Wirtstiere heften, verwenden Seehundläuse eine stark modifizierte Krallenmechanik vergleichbar mit Karabinerhaken. Das System erlaubt es ihnen, sich einerseits dauerhaft am Fell des Wirtstiers festzuklammern, sich aber andererseits auch wieder von diesem zu lösen. Neben klingenartigen Strukturen auf der Innenseite ihrer Krallen, die in das Robbenhaar eindringen und für einen besseren Halt sorgen

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel