Ein Muster bricht zusammen

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DIE FABELHAFTE WELT DER MATHEMATIK

Manche Muster scheinen sich endlos zu wiederholen und doch gibt es irgendwann Abweichungen. Der Zufall liefert eine anschauliche Erklärung, wie es dazu kommt.

ROMAN BARKOV / GETTY IMAGES / ISTOCK; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT
Manon Bischoff ist Redakteurin für Mathematik und Physik bei Spektrum der Wissenschaft.

Eine der Fähigkeiten, die uns Menschen dazu verholfen hat, wichtige Entwicklungsschritte zu durchlaufen, ist zweifelsohne die Mustererkennung. Wir beobachten Dinge, die sich immer wieder wiederholen, und schließen daraus, dass es eine zu Grunde liegende Regel gibt, damit das auch weiterhin geschieht.

Zum Beispiel: Die Sonne geht seit Jahrtausenden im Osten auf und im Westen unter – daher nehmen wir an, dass es auch morgen und übermorgen so sein wird. Inzwischen haben wir natürlich ein Modell des Sonnensystems und können dadurch erklären, warum der Sonnenaufgang in Zukunft ebenfalls in östlicher Himmelsrichtung zu beobachten ist. Das gilt auch für diese Serie: Sie erscheint jeden Freitagmittag auf »Spektrum.de«, daher können Sie annehmen, dass Sie auch nächste Woche einen weiteren Artikel der Serie lesen können. Doch in der Mathematik sollte man sich vor voreiligen Schlüssen hüten!

Ein Beispiel für ein irreführendes Muster entwickelte der kanadische Mathematiker David Borwein (* 1924) im Jahr 2001 zusammen mit seinem Sohn Jonathan (1951–2016).

Damals stellten sie mehrere Folgen von Integralen vor, welche die Fachwelt in Erstaunen versetzten. Bei einer Folge ergibt etwa das erste Integral π, das zweite ebenso, das dritte und so weiter – und auch das 56. Integral liefert den Wert π. Doch ab dem 57. Integral werden die Ergebnisse plötzlich kaum merklich kleiner –bei diesem Folgenglied weicht es um bloß 10–110 vom vorhergehenden Wert ab. Als Forscherinnen und Forscher die Gleichungen erstmals am Computer auswerteten, glaubten sie deshalb zunächst an einen Rundungsfehler.

Komplizier te Integrale tricksen unser Bauchgefühl aus

Doch tatsächlich konnten die Borweins beweisen, dass es sich dabei nicht um einen Rechenfehler handelte. Sie veröffentlichten ein Theorem, das beschreibt, wie lange ihre Integralfolgen das gleiche Ergebnis liefern, bis sie schließlich irgendwann davon abweichen. Sie lieferten sogar einen Extremfall, bei dem das Muster erst nach 10176 Resultaten zusammenbricht!

Ihr mathematischer Beweis erwies sich zwar korrekt, dennoch waren Fachleute mit der Lösung nicht ganz zufrieden. Denn er erklärt nicht, warum sich die Integrale so seltsam verhalten. Was ist der Gru

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