Keine Süßigkeiten-Werbung mehr für Kinder – nur ein Anfang?

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STANDPUNKT

»Dass der Minister es wagt, staatliche Fürsorge gegen Profitinteressen zu stellen, ist mutig und wegweisend.«

Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat einen Gesetzesentwurf für mehr Kinderschutz bei der Ernährung vorgestellt. Werbung für Süßigkeiten und Snacks mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt und hohem Verarbeitungsgrad soll stark eingeschränkt werden. Dies gilt für die gezielte Werbung, aber auch für jegliche Reklame für solche Produkte, wenn sie von Kindern wahrgenommen werden kann – zum Beispiel in der Zeit zwischen 6 und 23 Uhr oder im Umkreis von 100 Metern von Kitas, Schulen, Spielplätzen oder Freizeitstätten. Der Staat nimmt den Markt an die Kandare. Wie nicht anders zu erwarten, bringt dies die entsprechenden Lobbygruppen in Wallung. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie beklagt, dass dies »nicht verhältnismäßig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich« sei.

Aufschlussreich ist, dass das Vorhaben über den Kinderschutz legitimiert wird. Kinder seien »das Wertvollste, was wir haben« und müssten daher vor Gefahren geschützt werden, heißt es im Ministerium. Damit wird ein Wert genannt, der nicht leicht vom Tisch zu wischen ist. Dass es Kindern in unserer Gesellschaft gut gehen soll, ist schließlich heutzutage breiter ethischer Konsens. Seine Durchschlagskraft erhält dieses Anliegen jedoch erst durch die gleichzeitige Erzählung, wie dramatisch die Kindergesundheit durch Fehlernährung gefährdet ist. Auch dieses Narrativ ist gesellschaftlich höchst konsensfähig. Schließlich hören und lesen wir dauernd, dass unsere Kinder immer kränker, dicker, tollpatschiger und letztlich untauglicher für die Anforderungen der modernen Arbeitsgesellschaft werden und dass der Grund dafür ihr ungesundes Essen ist. Bei aller Fragwürdigkeit dieses Narrativs hat es eine wichtige strategische Funktion. Wenn der Gesetzesvorstoß das Szenario der drohenden verfetteten Kindergeneration beschreibt, kann er sich einer gewissen Zustimmung sicher sein.

Ob die Kinderernährung gesünder wird, wenn Kinder weniger Werbung für ungesunde Nahrungsprodukte ausgesetzt sind, darf bezweifelt werden. Es gibt bislang keine wissenschaftlichen Nachweise zur Wirksamkeit von Werbeverboten auf die Entwicklung von kindlichem Übergewicht, wie das Ministerium selbst in einer parlamentarischen Anfrage einräumte. Und es gibt sie ja weiter, all die schädlichen Produkte, für die es keine Reklame mehr geben darf. S