Ein Kessel voll Genuss

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Seit nunmehr 16 Jahren findet die Slow Food Messe in Stuttgart statt. Ein guter Grund, sich die Schwabenmetropole genauer anzusehen – vom einstigen Stutengarten über die Wengerter im Stadtgebiet bis zu den etwas anderen Genuss-Handwerker*innen von heute. Karin Wiemer hat in den Talkessel geschaut und Menschen getroffen, die darüber hinaus schauen.

Fotos: Romeo Felsenreich, Jean Claude Winkler, Karin Wiemer

Wer von Westen oder Süden ins Zentrum von Stuttgart hinein fährt, dem zeigt die Stadt gleich mal ihr schönstes Gesicht – und ihre einzigartige Besonderheit: die Kessellage mit den Hängen rundherum, mit städtischen Weinreben und Weitblicken bis ins Neckartal. Vom zentralen Schlossplatz aus geht der Blick in die umgekehrte Richtung, die Hänge hinauf. Hier stehen wir, schauen ringsum und gehen gedanklich zurück …

Die verkehrsgünstige Lage der Gegend erkannten schon die Römer und erbauten im heutigen Stadtteil Bad Cannstatt ein -Reiterkastell. Um 950 n. Chr. brachte dann Herzog Liudolf von Schwaben, ein Sohn Kaiser Ottos des Großen, das Ross zum Reiter und das Rössle ins Stadtwappen: mit einem Pferdegestüt, das der Stadt ihren Namen gab. Auf drei Seiten von Hügeln umschlossen, war der »Stutengarten« ein perfekter Ort für die Zucht kostbarer Pferde. Von dort breitete sich schließlich die Siedlung und spätere Stadt Stuttgart immer weiter aus, die Hänge empor und weiter ins Neckartal. Heute ist Stuttgart ein wichtiger Medien-, Technologie- und Wirtschaftsstandort, weithin bekannt als Heimat von Daimler und Porsche. Rund um den Schlossplatz, im Zentrum der Stadt, fügt sich Neues Schloss zu Altem Schloss, das moderne Kunstmuseum zum spätklassizistischen Königsbau, begeistern Stuttgarter Ballett, Staatsoper und Staatsgalerie.

Von Wengertern im Bohnenviertel

Aber etwas Wichtiges fehlt. Daher werfen wir einen Blick ins nahe Bohnenviertel, entstanden im 15. Jahrhundert und damals außerhalb der Stadtgrenzen: Heimat ärmerer Handwerker und Weinbauern, die in ihren Vorgärten zum Überleben nahrhafte Bohnen pflanzten, daher der Name. Die Weinreben brachten wohl schon die Römer mit, der Weinbau hat also Tradition. Im 16. Jahrhundert waren mehr als 1 200 Hektar mit Reben bestockt. Reich wurden dadurch allerdings nur adlige und geistliche Grundherren, welche die Keltereien betrieben. Die Weingärtner, Wengerter im Schwäbischen, besaßen durch die erbliche Realteilung ohnehin nur noch kleinste Parzellen und bekamen lediglich die abgelieferten Trauben bezahlt. Ein Umstand, der den Ruf des hiesigen Weins nicht beförderte – die Wengerter setzten auf möglichst großen Ertrag, die Qualität spielte keine Rolle. Später gründeten sich Genossenschaften, die den Weinbauern immerhin ein Auskommen sicherten. Vor rund 30 Jahren dann die Wende: Viele Weingüter bauten ihren Wein wieder selbst aus, setzten auf hochwertiges statt massenhaftes Lesegut, auf weniger E