„Laufen war mein Glück und mein Verderben“

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Daniel Tomann-Eickhoff, 45, ist Flötist im NDR Elbphilharmonie Orchester, Vater von drei Kindern, Lehrbeauftragter für Piccoloflöte – und war jahrelang alkoholabhängig. Wir haben mit dem leidenschaftlichen Läufer über seinen Weg aus der Sucht gesprochen

Die Elbphilharmonie hat für Daniel eine immense emotionale Bedeutung, weil an diesem Ort kein Platz für seine Sucht war

Daniel, vor rund sieben Jahren haben wir schon mal ein Interview für unsere Rubrik „Ein Lauf mit …“ geführt.

War damals Alkohol auch schon ein Thema für dich?

Damals hätte ich gesagt: Nein. Jetzt, im Nachgang betrachtet, war das schon so. Wenn ich mich recht entsinne, bin ich auch vom Interview direkt in die Weinhandlung gelaufen.

Berichte bitte von deinem Weg in die Abhängigkeit.

Das war ein schleichender Prozess. Ich komme aus einem Bergdorf in Tirol. Alkohol war schon als Jugendlicher normal.

Öfter mal einen über den Durst zu trinken war sogar „cool“. Auch später hat man nach einer Oper oder einem Konzert im Kollegenkreis angestoßen, ist vielleicht noch in eine Bar gegangen. Alle behandeln Alkohol immer als Genussmittel, dabei geht es vielen, ehrlich gesagt, um die Umdrehungen. Irgendwann habe ich jeden Tag mindestens ein Glas Wein getrunken. Mit Beginn der Coronapandemie wurde es mehr. Eine Flasche war Standard. Glücklicherweise habe ich nie harten Alkohol getrunken. Und ich habe nie früh getrunken, sondern immer erst ab 17 Uhr.

Wieso gab es diese Grenze?

Weil ich funktionieren musste und wollte. Ich bin Vater, Ehemann, Musiker, Läufer, Trainer. Ich hatte diese Erwartungshaltung an mich selbst, immer abzuliefern. Einen schlechten Tag akzeptiert niemand. Deswegen hat die Elbphilharmonie auch so einen Symbolwert für mich, weil ich für das Orchester und das Publikum fit sein wollte, was mich wohl vor Schlimmerem bewahrt hat. Sobald ich dann zu Hause war, kam mit dem ersten Schluck dieses prickelnde, betörende Gefühl. Wie ein Ventil, durch das der ganze Druck von mir abfiel.

Hat denn niemand etwas bemerkt?

Meine Frau hat es natürlich mitbekommen, aber nie die richtigen Worte gefunden, um es mir klarzumachen. Wie sagt man einem Süchtigen, dass er süchtig ist? Ich war selbst ja überzeugt, dass ich kein Problem hätte. Ich dachte wie die meisten, dass man erst als Alkoholiker gilt, wenn man schon um zehn Uhr morgens in der Ecke hängt und nicht mehr ansprechbar ist. Ich aber hatte meinen Alltag im Griff. Und auch das Laufen funktionierte. Erst während meiner Thera

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