„Bevor ich daheim stricke, quäle ich mich lieber den Stelvio hoch!“

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Interview Maria Canins

Interview mit der Ex-Profi-Rennradfahrerin Maria Canins

Sie hat alles erreicht, was man auf dem Rad erreichen kann: Maria Canins, zweifache Tour de France-Siegerin und Mountainbike-Weltmeisterin. Mit 50! Im Interview spricht die 74-jährige Power-Frau, warum sie zu ihren Anfängen wie eine Vogelscheuche aussah, wie sie mit den ständigen Anfeindungen der Männerwelt umging. Darüber hinaus erklärt die Südtirolerin, wie sie sich im Winter fit hält. Wenn es draußen schneit, geht „Maria, the Beast!“ runter in ihre riesige „Turnhalle“. Dort steht eine Hantelbank, ein Rudergerät und zwei Rollentrainer. Ihre große Liebe ist und bleibt das Rennrad – auch wenn ihr Mann auf dem Sportgerät vor Jahren verstarb. Maria: „Bruno lebt in meinem Herzen weiter“, sagt die Frau, die auch im Winter zum Einkaufen mit dem E-Bike fährt.

FOTO: STEFAN SCHÜTZ

Frau Canins, in einem Interview haben Sie mal vor ein paar Jahren gesagt, dass Sie mit dem „total professionalisierten und verwissenschaftlichen Sport“ überhaupt nichts mehr anfangen können. Wie haben Sie das genau gemeint?

Jeder, der bei einem Wettkampf an den Start geht, will gewinnen. Das war früher so, ist heute so und wird auch immer so sein. Und das ist gut so! Der Unterschied zu früher ist jedoch, dass ich vor und auch nach einem Rennen keinen mehr lachen sehe. „Mamma Mia“, denke ich mir. Das Leben ist doch viel zu kurz, um immer nur alles verbissen zu sehen. Wenn heute Fahrer wie Tadej Pogačar oder Jonas Vingegaard ins Ziel fahren, achten sie darauf, dass sie ihre Sponsoren bei der Zieleinfahrt bestmöglich präsentieren. Haben Sie aber in den letzten Jahren einen gesehen, der sich so richtig gefreut hat?

Gegenfrage: Haben Sie sich denn immer gefreut?

„Lo sport è come giocare alla lotteria”, sage ich immer: „Sport ist wie Lotto spielen”. Natürlich habe ich mich immer top vorbereitet. Dann und wann gibt es aber Umstände, die kann ich nicht beeinflussen. Sei es, dass ich einen Schaden an meinem Rad habe, sei es, dass das nicht mein Wetter ist. Und dann gibt es noch immer diese Konkurrentinnen, die dann auch noch gewinnen wollen (lacht). Und wenn sie das dann gemacht haben, dann habe ich nicht geweint. Warum auch? Ich bin an einem Stück ins Ziel gekommen und bin nicht gestürzt. Über was soll ich mich dann beschweren? Nur weil ich vier Sekunden später als meine Dauer-Rivalin ins Ziel gekommen bin? Sicher nicht.

Liegt ihre joviale Einstellung vielleicht daran, dass Sie später als alle anderen mit dem Profisport begonnen haben?

Eigentlich habe ich mein Leben gar nicht verändert. Wenn ich am Sonntag ein Rennen hatte, bin ich aufgestanden und habe ganz normal gefrühstückt. Das Einzige, was ich zum Rennen mitnahm, war ein Käsebrot und eine Kanne Kaffee. Mehr brauchte ich nicht

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