Wir sind kein Stereotyp

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Sexistische Einstellungen sind tief in der Gesellschaft verankert – und auch Frauen selbst verinnerlichen sie. Wie äußert sich internalisierter Sexismus und was kann man gegen ihn tun?

Mit Anfang zwanzig saß ich mit meinem Vater und seinem Geschäftspartner in einem Restaurant in Berlin-Mitte. Nachdem wir bezahlt hatten, rief ein Mann vom Nebentisch meinem Vater zu, er könne mich jetzt weitergeben. Der Mann hielt mich für eine Escortdame. Nicht die Verwechslung störte mich, sondern wie die Männer mich sahen: als ein Objekt, über dessen Willen nicht ich, sondern ein anderer Mann entscheiden konnte. Einige Wochen später sagte mir ein Freund, ich sei in Berliner Clubs sein „Porscheschlüssel“: Meine Anwesenheit werte ihn auf und erhöhe seine Chancen, hübsche Frauen kennenzulernen. Ich wurde zum Statussymbol. Dieses Mal ärgerte ich mich jedoch nicht. Ich fühlte mich geschmeichelt – und hatte, ohne es zu merken, den Sexismus verinnerlicht.

In Deutschland sind Mädchen und Frauen doppelt so häufig von sexistischen Übergriffen betroffen wie Männer. Das reicht von unerwünschten Berührungen und lustvollen Bemerkungen über ungleiche Bezahlung bis hin zur Darstellung von Frauen in erotischen Posen, um Produkte wie Badezimmerfliesen zu verkaufen. Wird ein Mensch als minderwertig angesehen, durch Worte, Taten oder auf andere Weise unterdrückt oder herabgesetzt, und das ausschließlich aufgrund seines Geschlechts, spricht man von Sexismus. In seiner am weitesten verbreiteten Form ist Sexismus die Diskriminierung von Frauen. Ein Großteil der Frauen beginnt oft schon in jungen Jahren, diese Vorstellungen zu übernehmen und selbst sexistisch zu denken und zu handeln. Die Meinungen, Männer seien beispielsweise besser für technische Berufe geeignet, weniger emotional oder bessere Politiker, sind weit verbreitet – auch unter Frauen. Ihre Haltung speist sich mit aus dem, was sie erlebt haben.

Wir lernen die Muster in der Kindheit

Sexismus wird durch Normen, Stereotype und Vorurteile aufrechterhalten – und eben auch verinnerlicht, von Männern wie von Frauen. „Diese drei Bausteine wirken wie Regieanweisungen auf unsere sozialen Interaktionen: Sie bestimmen, in welchem Rahmen wir denken, handeln und wie viel Macht wir haben“, erklärt die Psychotherapeutin Christina Schütteler, die zusammen mit Timo Slotta ein Buch über Diskriminierung und Sexismus in der Psychotherapie verfasst hat Normen sind unausgesprochene Regeln und Erwartungen, die vorgeben, wie sich zum Beispiel Männer und Frauen im Alltag oder im Beruf verhalten sollen. Stereotype wiederum sind vereinfachte Vorstellungen von Eigenschaften von Menschen: „Wenn wir auf der Straße eine Person mit langen Haaren sehen, denken wir automatisch an eine Frau“, sagt Schütteler. Solche Verallgemeinerungen helfen uns, die Welt schneller zu verstehen. Sie sind nic

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