ChatGPT: Mephistos Zaubertrank

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Das Jahr 2023 kam vielen wie eine Revolution für die Texterstellung vor. Allen voran hat OpenAI, das spätestens seit Mitte des letzten Jahres hauptsächlich durch Microsoft finanziert wird, mit seinem Programm ChatGPT einen Quantensprung ausgeführt, das seitdem Vorstellungen, Wünsche und Phantasien beflügelt, aber auch große Skepsis hervorruft.

Wie sehr hilft – oder schadet – ChatGPT bei der Erstellung von kreativen Texten? Und stellt nicht Kreativität und Künstliche Intelligenz gar einen Widerspruch in sich dar?

Ein weites, vereistes Feld

ChatGPT ist ein Large Language Model (LLM), das versucht, bei der Texterstellung kontextbezogene und statistische Vorhersagen zu treffen und dadurch neue, text- und sprachbasierte Inhalte zu generieren. Jede einzelne Anfrage (Prompt) sucht also nicht etwa nach bestehenden Inhalten, sondern erstellt diese anhand zugrundeliegender Syntax- und Grammatik-Algorithmen neu. Damit scheint zunächst der Traum vieler Oberschüler und Studenten verwirklicht: Was sind die Merkmale der Photosynthese? Was führte zum Ersten Weltkrieg? Wie lassen sich die binomischen Formeln anwenden? Welches sind die Grundfragen der Ethik? Einfach die Frage eingeben und auf Enter klicken. Fertig. Nun noch alles mit Paste und Copy auf ein Word-Dokument übertragen, Hausarbeit abgeben. Note Eins kassieren. Hier endet die kurze Version der Erfolgsgeschichte.

Die längere ist etwas komplizierter. Und weniger erfolgreich. Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, kommt man wohl auch in Versuchung, komplexere, weit weniger erforschte Themengebiete bei ChatGPT abzufragen, als es das etwa bei der Kriegsschuldfrage des Ersten Weltkrieges der Fall ist. Hier beginnt man nun, ein weites, vereistes Feld zu betreten. Eis hat die trügerische Funktion, eine begehbare Ebene zu vermitteln, ohne auf die Gefahr eines möglichen Untergangs in die darunter liegende Tiefe zu verweisen.

Wie dumm kann Künstliche Intelligenz sein?

Beispiele findet man in den Bereichen, in denen man sich zuhause fühlt, wo man also Kraft seiner natürlichen Intelligenz der künstlichen überlegen ist. Etwa: „Warum war die Währungspolitik der Reichsbank erfolgreich?“. Vorweg: Diese unpräzise und unvollständige Suggestivfrage erfüllt alle Kriterien für einen schlechten Prompt.

ChatGPT verweist zwar in seiner Antwort zunächst auf die Begrenzung der Aktualität auf 2021, was in Punkto Reichsbank sicher noch zu verschmerzen wäre, stellt aber keine weiteren Rückfragen, sondern antwortet gewohnt in knappen Stichpunkten, etwa: „Konservative Geldpolitik: Die Reichsbank verfolgte eine vorsichtige und konservative Geldpolitik. Sie beschränkte die Geldmenge und die Kreditvergabe, um eine übermäßige Inflation zu verhindern und die Stabilität der Währung zu gewährleisten“.

Das genaue Gegenteil davon ist richtig:

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