LEINEN LOS IM PARADIES

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EINE SEGELKREUZFAHRT IN DEN ÖSTLICHEN RANDZONEN INDONESIENS FÜHRT AN ENTLEGENSTE ATOLLE. SIE SIND DIE HEIMAT VON SEENOMADEN, EINER ATEMBERAUBENDEN UNTERWASSERWELT – UND VÖGELN UND SCHMETTERLINGEN, DIE DIE EVOLUTIONSTHEORIE ENTSCHEIDEND PRÄGTEN.

TEXT SARAH BARRELL

Von links: Die Ombak Putih ist ein traditionelles indonesisches Segelschiff. Aus der Luft wird die paradiesische Einsamkeit der Halmahera-Küste auf den Nordmolukken deutlich.
IMAGES: GETTY; NITA CJ

Heute aber taucht Jago nicht – auch wenn man das Gefühl hat, er sei jederzeit bereit. Er sitzt am Hafen von Kabalutan, barfuß und lediglich mit lockeren Shorts bekleidet. Sein Haar ist durch das Meersalz dick geworden, am Ansatz silberfarben und beinahe unanständig üppig. Er ist zierlich, seine Haut ledrig-braun, und er hat den Körperbau eines Teenagers. Jagos tränende Augen sind von Leberflecken umgeben, wirken aber entschlossen. An seiner Hüfte hängt eine Tasche voller Zigarettenschachteln – einige hat er geschenkt bekommen, andere im Tauschgeschäft erworben, wie es hier üblich ist. Ich frage mich laut, wie es seinen Lungen wohl geht. „Gut“, sagt sein Neffe. „Mit seinen Knien ist er allerdings nicht so glücklich.“

Es ist nachvollziehbar, dass Jagos Gelenke nach acht Jahrzehnten mit Streifzügen tief unten im Ozean schmerzen. Rohani, so Jagos richtiger Name, begann im Alter von fünf Jahren mit dem Freitauchen. Sein Vater brachte ihm bei, Lungen, Herz, Verstand – und die Knie – zu trainieren, um in 36 Meter Tiefe zu fischen. So bekam er den Spitznamen „Jago“, Meister bei den Freitauchern der Bajau. Diese Seenomaden der ostindonesischen Togian-Inseln sind seit jeher leidenschaftliche Fischer. Über die Jahrhunderte haben die Bajau eine ungewöhnlich große Milz entwickelt: Sie dient als Lagerhaus für rote Blutkörperchen, die Sauerstoff transportieren, und ermöglicht bis zu 13 Minuten lange Tauchgänge. In den letzten Jahren haben die Bajau mit ihrem Tauchen und ihrer Lebensweise diverse Fernsehdokumentationen und Fotoartikel in Zeitschriften inspiriert. Zwischen hier und Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens, die immerhin über 2000 Kilometer westlich liegt, ist Jago mit Sicherheit der größte Prominente.

Kabalutan, das Dorf auf den Togian-Inseln, in dem ich ihn gefunden habe, ist weitaus größer, als es zunächst scheint, wenn man sich mit dem Boot nähert. Wacklige Holzbrücken führen über Zuflüsse aus dem Meer und bilden Stege zu Hütten, die auf Stelzen über türkis strahlendem Wasser stehen. Betonwege dringen halbherzig in das felsige Innere der Insel ein, und der schroffe Untergrund dient als Sp