KÖNIG DER ZÜGE, ZUG DER KÖNIGE DER ORIENTEXPRESS

13 min lesen

Im Jahr 1883 entstand eine legendäre Eisenbahnlinie, die von Paris nach Konstantinopel führte. Zur Zeit der Belle Époque waren ihre luxuriösen Waggons Schauplatz exklusiver Feste, heimlicher Liebesaffären und allerlei diplomatischer Intrigen.

MARÍA PILAR QUERALT DEL HIERRO HISTORIKERIN DEUTSCHE BEARBEITUNG: RALPH KREUZER

QUER DURCH EUROPA
Die ursprüngliche Route des Orient-Express durch Frankreich und die zentraleuropäischen Länder war durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Danach wurde der Simplon-Orient-Express eingeweiht, der die Alpen durchquerte, dabei aber Deutschland vermied. Das Ölgemälde von Terence Cuneo stellt die nächtliche Fahrt auf dieser zweiten Linie dar.
BRIDGEMAN / ACI

Am 4. Oktober 1883 herrschte am Pariser Gare de l’Est große Vorfreude. 24 Passagiere bereiteten sich darauf vor, den luxuriösen Zug zu besteigen, der um 19.30 Uhr zum ersten Mal zu einer langen Reise mit Ziel Konstantinopel (Istanbul) aufbrechen sollte. Niemand ahnte, dass der Zug, der sie auf dem Bahnsteig erwartete, unter dem Namen Orient-Express zur Legende werden würde.

Der belgische Ingenieur Georges Nagelmackers (1845–1905) gründete 1876 die Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL).

Schon seit sechs Jahren bemühte er sich in Europa um die Einführung von Schlafwagen nach amerikanischem Vorbild. Es war kein leichter Weg. Auch die Gründung des Unternehmens war nicht einfach gewesen, da Nagelmackers’ Projekt offensichtlich mit dem des Amerikaners George Mortimer Pullman rivalisierte. Letzterer hatte – inspiriert von den Schiffen, die den Eriesee entlang der Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada überquerten – den Schlafwagen oder Pullman-Wagen entwickelt. Dieser erlangte Berühmtheit, als damit 1865 der Leichnam des ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln zur Beisetzung von Washington nach Springfield überführt wurde.

Nagelmackers hatte auf einer Reise in die Vereinigten Staaten die Pullman-Waggons kennengelernt, und trotz des Widerwillens der Amerikaner gelang es ihm, nach seiner Rückkehr auf den Alten Kontinent die Compagnie zu gründen. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten europäischen Länder bereits mit der Eisenbahn verbunden. Der Bau von Bahnlinien war zu einem lukrativen Geschäft geworden, und die Besitzer der Linien waren misstrauisch gegenüber jeder Neuerung, die zur Konkurrenz werden könnte, auch wenn die Beförderungsbedingungen für die Fahrgäste noch nicht sehr komfortabel waren.

Ein König als Finanzier

Die heikle politische Lage in Europa ließ die Regierungen zudem zögern, den Eisenbahnverkehr zwische