NERO, DER VIELGELIEBTE

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Künstler, Muttermörder, Brandstifter: Nero zählt zu den schillerndsten Herrschern der Antike. Die Römer liebten ihren Kaiser und seine pompösen Spektakel – zumindest anfangs.

JOSIAH OSGOOD UNIVERSITÄT GEORGETOWN, USA Deutsche Bearbeitung von Gebina Doenecke

Triumph des Populismus

DÜSTERE LEGENDE Nero wurde beschuldigt, den Brand Roms veranlasst zu haben. Das Gemälde von Howard Pyle (1897) zeigt eine Szene aus dem Roman „Quo Vadis“ des Schriftstellers Henryk Sienkiewicz: Nero widmet sich dem Leierspiel, während die Stadt in Flammen steht.
BRIDGEMAN / ACI

Im Jahr 59 n. Chr. vollendete Nero sein 21. Lebensjahr. Als „erwachsen“ hatte man Nero zwar schon mit 13 Jahren erklärt, aber nun führte er in Rom ein neues Spektakel ein: die „Iuvenalia“ – Jugendspiele. Die Bürger Roms durften der Rasur des jungen Kaisers beiwohnen. Es folgte die Weihe des Bartes in einem kostbaren Gefäß im Jupiter-Tempel auf dem Kapitolhügel, dann Theaterstücke, in denen Männer und Frauen jeden Alters auftraten. Da die Schauspielerei als anrüchiger Beruf galt, erregte der Anblick vornehmer Römer und Römerinnen auf der Bühne großes Aufsehen. Völlig perplex dürften die Zuschauer gewesen sein, als eine gewisse Elia Catella zum Tanzen vortrat: Die Dame war nicht nur reich und stammte aus einer hoch angesehenen Familie – sie befand sich auch schon in ihren Achtzigern.

Als spektakulärer Höhepunkt der Zeremonie trat Nero selbst auf die Bühne. „Meine Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit“, sprach er – und dann begann der junge Kaiser zu den Klängen der Leier zu singen, während die Soldaten seiner Leibgarde aus der Nähe und die Zuschauer von ihren Plätzen aus zusahen. Vor der Aufführung hatte Nero eine spezielle Truppe kräftiger junger Männern zusammengestellt, Claqueure, die immer als Erste kräftig applaudieren mussten, und die Zuschauer stimmten bald in den Jubel ein: „Schöner Cäsar, Apollo, Augustus, Cäsar, niemand kann dich besiegen“, riefen sie.

Die Unterhaltungen, die Nero seinem Volk bot, waren damit nicht beendet. Später am Abend setzte man das Fest auf Booten fort, die auf einem künstlichen See am Tiber schwammen. In der Nähe waren Hütten und Imbissbuden aufgebaut; der junge Kaiser verteilte Geld an die Anwesenden. Der Historiker und Senator Tacitus, der um 58 n. Chr., also etwa ein Jahr vor diesem Ereignis, geboren wurde, verfasste später sehr kritische Annalen, die heute eine wichtige Quelle für die Herrschaft Neros sind. Rückblickend zeigte sich Tacitus entsetzt: „Skandale und Schändlichkeiten häuften sich“, kritisierte er, „und nich

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