WASSER aus der KREIDE

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Englands Kreideflüsse quellen mit glasklarem Wasser aus dem porösen Gestein. Angler verehren sie. Umweltschützer versuchen, bedrohte Bereiche zu renaturieren.

Simon Cain, ein Pionier der Flussrenaturierung, fischt im Bourne Rivulet in Hampshire. Der kleine Kreidefluss war durch Baggerarbeiten vertieft und mit Schlamm verunreinigt. Cain stellte sein Kies-- bett wieder her und belebte so die Ökologie.
Fotos CHARLIE HAMILTON JAMES
Flussschützer schneiden den Wasserhahnenfuß im Hampshire Avon zurück. Die Pflanzen können mehrere Meter lange Stängel bilden. Sie spen-- den Schatten und Schutz für Lebewesen im Fluss. Übermäßiges Wachstum der Pflanzen kann das Fischen unmöglich machen.
Fliegenfischer muss man sich als entspannte Persönlichkeiten vorstellen. Wer in einen englischen Kreidefluss hineinwatet, kann plötzlich nachfühlen, warum das so ist.

DAS SONNENLICHT, DAS AUF DEN GRUND des Flusses fällt, sprenkelt den Kies unter den Füßen. Rundum bewegt sich das Wasser, unaufhörlich und friedvoll, nie drängt die Strömung. Ein Fluss wie aus dem Bilderbuch – das Wasser so durchsichtig wie in einem Aquarium. Die Forellen scheinen in der Luft zu schweben.

Kreideflüsse – das klingt erst einmal nach milchigweißem Gewässer. Tatsächlich kommt der Name aber von dem Gestein, über dem die Flüsse verlaufen. Alkalisch, mineralreich, mit gelöstem Kalziumkarbonat, aber fast ohne Sediment fließen sie über sauberen Kies ins Meer – ein Paradies für Fische und eben deswegen auch für Angler. Die Gewässer sprudeln aus Quellen, die sich aus tiefen Grundwasserleitern im Kreidegestein speisen. Sie fließen durch Täler, die von Wasserminze und Sumpf-Vergissmeinnicht gesäumt sind. Anders als Flüsse, die über härteres Gestein strömen, fließen diese Gewässer gleichmäßig durch die sanften Kreidelandschaften im Süden und Osten Englands.

Der River Anton in Hampshire ist gesund genug, dass Bachforellen und Äschen in ihm leben. Das trübe Wasser ist allerdings ein schlechtes Zeichen. Verschmutzte Abwässer von Straßen und Bauernhöfen könnten die Ursache sein.

Kreide ist eine reine Kalksteinart, die aus den winzigen Schalen von Meeresorganismen besteht. Diese Ablagerungen findet man weltweit, doch in England brachten die geologischen Schübe, die vor etwa 40 Millionen Jahren die Alpen aufgefaltet haben, einen großen Teil davon an die Oberfläche. Kreidegestein ist porös und zerklüftet. Regen, der darauf fällt, verschwindet im Boden und braucht manchmal Monate, um durch die Hügel zu sickern. Das wirkt wie ein Speicher und beschert den Flüssen ruhige Konstanz – Regengüsse führen nicht zu Überschwemmungen, bei Trockenheit strömen sie weiter. Das Wasser nimmt die Temperatur des Gesteins an, zehn bis zwölf Grad das ganze Jahr über. Pflanzen und Tiere finden so in den Kreideflüssen verlässliche Kontinuität.

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