DER ELEFANT VON NEBENAN

15 min lesen

DIE ANPASSUNGSFÄHIGEN TIERE LERNEN, MIT UNS ZU LEBEN. ABER WERDEN AUCH WIR LERNEN, MIT IHNEN ZU LEBEN?

TEXT SRINATH PERUR FOTOS BRENT STIRTON

Ein männlicher Elefant überquert in einer mondhellen Nacht am Rande des Kaudulla-Nationalparks auf Sri Lanka einen Elektrozaun. Auf 4500 Kilometer Länge sollen Zäune die Tiere in Schach halten. Das klappt nicht immer: Manchmal stoßen die Elefanten Bäume auf die Zäune und treten dann zwischen die umgestürzten Drähte.

WIR STAPFEN durch Schlamm, als Nisar Ahmed M. K. sich plötzlich duckt. Das Laub gibt den Blick auf einen Teich frei, in dem einige junge Elefanten planschen und übereinanderkugeln. Der Rest der Herde, etwa 20 Elefanten, schaut ihnen zu.

Hinter uns liegen die Unterkünfte einer nahen Kaffeeplantage im südindischen Distrikt Hassan. Es sind schlichte Gebäude mit roten Ziegeldächern. Die Menschen, die dort wohnen, stoßen häufig mit den tonnenschweren Dickhäutern zusammen. Von 2021 bis 2022 kamen in der gleichnamigen Distrikthauptstadt mit ihren 1,8 Millionen Einwohnern zwölf Menschen durch Elefanten zu Tode. In derselben Zeit starben vier Elefanten – einer wurde erschossen, einer durch Stromschlag getötet, ein weiterer von einem Zug überfahren. Die meisten der etwa 65 Elefanten in der Region tragen Narben, die vermutlich von Schusswunden stammen, erzählt Nisar, Koordinator der Nature Conservation Foundation, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz im einige Stunden entfernten Mysuru.

Nisar und seine Kollegen betreiben ein Frühwarnsystem, das Menschen hilft, Elefanten aus dem Weg zu gehen. Wenn Tiere in einem bestimmten Gebiet gesichtet werden, melden Schilder an Straßenkreuzungen ihre Anwesenheit. Warnleuchten gehen an, und Anwohner erhalten Text- und Sprachnachrichten aufs Telefon. Doch wie immer, wenn Menschen mitwirken müssen, ist alles nicht so einfach.

Als Nisar an diesem Tag mit seinem Jeep langsam eine unbefestigte Straße entlangfährt, um nach einem mit einem Sender versehenen Tier zu suchen, sieht er eine bunte Ansammlung von Regenschirmen und -mänteln: Menschen, denen nicht bewusst ist, dass nur ein paar Reihen Kaffeepflanzen sie von den Elefanten trennen.

Er flucht und hält an, um eine Frau und drei Kinder in Schuluniform aufzugabeln. Die Frau gibt zu, dass sie eine Elefantenwarnung erhalten hat. Aber die Kinder mussten von der Schule abgeholt werden, und sie konnte nur zu Fuß gehen. Ich frage eines der Kinder, ein zehnjähriges Mädchen, ob es Elefanten gesehen hat. Es sieht mich an, als wäre ich verrückt – erst heute Morgen hat es eine Gruppe von 13 Tieren vor seinem

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel