Für eine lebenswerte Zukunft: Der Kosovo bemüht sich um die Anerkennung als unabhängiges Land und versucht, die Konflikte mit dem Nachbarn Serbien beizulegen.
TEXT ROBERT DRAPER FOTOS JUSTYNA MIELNIKIEWICZ

IM KOSOVO HAT JEDER eine Geschichte, die eigentlich zu schmerzhaft ist, um sie zu erzählen. Aber hier sind die Menschen, sie leben und wollen berichten, sie verlangen, dass die Welt zuhört. Deshalb gehe ich im Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Pristina in das Büro der 36-jährigen Saranda Bogujevci: Das warme Lächeln und der feste Händedruck der stellvertretenden Sprecherin der Nationalversammlung können nicht von den tiefen, bleichen Narben am Unterarm oberhalb ihrer entstellten linken Hand ablenken.
Bogujevci scheut sich nicht, über die Wunden zu sprechen: Sie war dreizehn, als am 28. März 1999 serbische paramilitärische Einheiten in die Stadt Podujevë einfielen. Die Soldaten trieben die 21 Bogujevcis in einen Garten, stellten sie vor eine Mauer und eröffneten das Feuer. Dann zogen sie wieder ab. Zurück blieb ein Haufen lebloser Körper, darunter ein zweijähriger Junge, die Matriarchin der Familie sowie Nora, Sarandas Cousine und ihre beste Freundin. Fünf der 21 Opfer atmeten noch, darunter Saranda, die wie auch immer 16 Schusswunden überlebte.
Bogujevci erzählt, sie und Nora hätten die gleichen Stiefel getragen. Sie besitzt die ihren immer noch. „Mit der Zeit habe ich gelernt, dass Erinnerungen wirklich wichtig sind, dass ich sie aufheben, sie in Ehren halten und bewahren muss“, sagt die junge Frau. Ohne diese glücklichen Erinnerungen gäbe es im Rückblick nur Zerstörung.
Bevor sie getötet wurde, war Nora bester Laune gewesen, hatte sich auf ihren bevorstehenden 15. Geburtstag in einem befreiten Kosovo gefreut. Vier Tage zuvor hatte die NATO die ersten Luftangriffe geflogen – Höhepunkt eines blutigen Konflikts zwischen den Kosovo-Albanern, zu denen die Familie Bogujevci gehört, und Serbien.
Der Kosovo war nach dem Zweiten Weltkrieg eine Provinz Serbiens in Jugoslawien. 1989 begann die serbische Regierung, den Druck auf ethnische Albaner zu erhöhen. Staatsbedienstete wie Bogujevcis Vater, ein Elektroingenieur, wurden entlassen, und Kinder wie Saranda besuchten keine Schule mehr, nachdem der serbische Staat das autonome Bildungssystem des Kosovo abgeschafft hatte. Die Kosovo-A