KOLONIALER KUNSTRAUB

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DIE RÜCKGABE VON BEUTEKUNST IST KEIN VERLUST, SONDERN ÖFFNET TÜREN.

TEXT ANDREW CURRY FOTOS RICHARD BARNES

FEINER ROTER STAUB aus der fernen Sahara breitet sich im Februar in der 100 000-Einwohner-Stadt Foumban im Westen Kameruns aus. In einem Monat werden die Frühlingsregen einsetzen. Bis dahin herrschen jeden Tag diesige Sonne, trockene Hitze und auf der Hauptstraße quer durch die Stadt ein ständiges Hupkonzert und laut knatternde Motorräder.

Von 1884 bis 1916 dauerte die kurze, aber grausame deutsche Kolonialherrschaft in Kamerun. Wie andere Kolonialmächte legte auch Deutschland ethnologische Sammlungen an, um Kulturgüter aus den neuen Kolonien zu konservieren, zu erforschen und auszustellen. Der Sammeltrieb ist urmenschlich, doch Museen, wie wir sie kennen, sind großteils eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, erdacht, um die Früchte europäischer Entdeckungen und Eroberungen zu teilen.

So wie die Kolonialmächte Entdecker nicht aus reinem Wissensdurst in die Welt schickten, gelangten Objekte nicht per Zufall in die Museen. Anthropologen, Missionare, Kaufleute und Militärs arbeiteten mit Museen zusammen. Oftmals gaben Kuratoren den bewaffneten Expeditionen regelrechte Wunschlisten mit.

Im Jahr 1907 überbrachten deutsche Beamte Sultan Ibrahim Njoya, dem Herrscher der Bamum in Kamerun, eine Botschaft: Vielleicht wäre ein Geschenk an Kaiser Wilhelm II. zu dessen bevorstehendem 50. Geburtstag eine nette Geste? Sie machten gleich einen konkreten Vorschlag: eine exakte Kopie von Njoyas außergewöhnlichem, kunstvoll mit Perlen besetztem Thronsessel. Der Thron, ein Erbstück des Vaters des Königs, war unter dem Namen Mandu Yenu bekannt, benannt nach dem schützenden Figurenpaar, das seine Rückseite ziert.

Njoya hatte frühere Angebote aus Deutschland, den Thron zu kaufen oder einzutauschen, wiederholt abgelehnt. Diesmal stimmte er zu. Falls er schriftlich festhielt, was ihn dazu bewog, sind diese Aufzeichnungen verloren. Möglicherweise wollte er sich dafür erkenntlich zeigen, dass Kolonialbeamte Truppen entsandt hatten, die ihn im Kampf gegen seine Nachbarn unterstützten. Vielleicht war er auch besorgt, was mit seinem Königreich geschehen würde, sollte er sich weigern. Sicher ist: Er gab ein Duplikat des Mandu Yenu in Auftrag. Als sich zeigte, dass die Kopie nicht rechtzeitig zum Geburtstag Wilhelms II. am 27. Januar 1909 fertig werden würde, ließ Njoya sich überreden, das Original zu übergeben. Es steht seitdem in der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin.

2021, nach dem Tod seines Vaters, wurde Njoyas Urenkel Nabil Njoya Oberhaupt der Bamum.

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