Er will ein Kind. Sie nicht

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Was heißt das für die Beziehung?

FOTO: TIM STEMMER; MODEL: INSTAGRAM.COM/KERIMOLO

Seine Frage trifft sie unvorbereitet nach einem Streit. Aber jetzt liegen sie nebeneinander, zwei Liebende, die ihre Beziehung gerettet haben, wie es scheint. Seit drei Jahren sind sie zusammen, seit Stunden wieder friedlich, da will Jonas wissen, ob Laura ein Kind mit ihm bekommen will. Kannst du dir das vorstellen, fragt er, die Frage steht im Raum wie Rauch. Schon, antwortet sie vage und weiß nicht, ob das stimmt. Es ist das erste Mal, dass sie darüber nachdenkt, ob sie Mutter werden möchte. Sie ist Anfang 20 und hat schon einige Lebenssituationen durchgespielt, diese noch nicht.

Eigentlich ist es das Abenteuer, das die beiden verbindet. Der Wille zum Aufbruch, zum Weiterziehen, die Sehnsucht nach der großen Welt. Nach dem Abitur haben sie die süddeutsche Kleinstadt verlassen, in der Laura aufgewachsen ist und Jonas nie wirklich zu Hause war. Er begreift sich als freier Mensch, und das liebt sie an ihm. Sie reisen nach London. Sie ziehen nach Frankfurt und studieren. Sie wollen raus aus dem kleinstädtischen Milieu. Laura will Modedesignerin werden und Jonas Lehrer. Oft schon hat sie ihm erzählt, für welche Firmen sie gerne arbeiten würde. Er weiß, wie wichtig ihr die Karriere ist, wie sie sich hineinwirft in jede Seminararbeit, in jedes Praktikum. Oder weiß er es nicht? Sein Kinderwunsch verunsichert sie.

Vielleicht in zehn Jahren, sagt sie an diesem Abend zu Jonas, und als er sie in den darauffolgenden Jahren wieder fragt, ob sie sich ein Kind mit ihm vorstellen könne, ist ihre Antwort dieselbe: vielleicht in zehn Jahren. Alles andere ist ihr wichtiger als eine Familiengründung, das verheimlicht sie nicht. Ihre erste Anstellung in einem großen Modehaus. Arbeitstage, die in lange Nächte und frühe Morgen übergehen. Die Freiheit zu reisen, überhaupt ihre Freiheit: Sie bekommt keine Luft mehr bei dem Gedanken, sie aufgeben zu müssen. Jetzt denkst du so, sagen ihre Freundinnen, sagt ihre Mutter, aber vielleicht entscheidest du dich später anders? Nein, weiß Laura, das wird sie nicht. Was ihr fehlt, und sie sagt das, als wäre es ein Mangel, ist der Kinderwunsch.

Schon früh hat Laura gelernt, unabhängig zu bleiben, so wie ihre Mutter. Eine tüchtige Frau mit eigenem Juwelierladen in der nächstgrößeren Kreisstadt. Schmuck hat sie verkauft, und ihr Mann, Lauras Vater, war Uhrmacher und ihr Angestellter. Ihre Mutter hat ihr vorgelebt, dass Arbeit strukturiert und, ja, glücklich machen kann. Ganz gleich, welche Schicksalsschläge ihre Familie heimsuchten, es gab immer einen nächsten Montag, an dem das Geschäft geöffnet werden musste. Zu arbeiten bedeutet auch für Laura, ganz bei sich zu sein. Professionell aufzutreten. Sich durchzusetzen und für die Sache einzustehen. Ihren Beruf begreift sie als einen Raum, in dem sie sich siche

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