„Ich wollte einfach anders leben“

3 min lesen

Eva Helmeth ließ ihre große Liebe und den Traum vom eigenen Kind hinter sich – um als Nomadin glücklich zu werden

Mit Rosita (r.) lebte Eva einen Monat zusammen in Ecuador. Sie brachte ihr bei, wie man Kakao erntet.
Eine der vielen inspirierenden Begegnungen: Habiba (r.) lernte Eva in Marokko kennen.
FOTOS: PRIVAT

Ich hatte alles. Eine Partnerschaft, in der ich mich geborgen fühlte. Einen Job, der mir Spaß machte. Ein Zuhause, in das ich nach Feierabend gern zurückkehrte. Mein Mann und ich waren seit 14 Jahren zusammen, zogen seine Tochter, die er mit in unsere Beziehung gebracht hatte, an jedem zweiten Wochenende gemeinsam auf. Ich wohnte zuletzt in der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen war. Aber ich hatte eben auch mit meinen Eltern eine Zeit lang an der Elfenbeinküste und später in verschiedenen Metropolen gelebt. Ich wollte auch immer Mutter werden. Aber die Jahre vergingen, in denen ich einfach nicht schwanger wurde. Am Schluss versuchten wir es mit künstlicher Befruchtung. Ich bekam einen kleinen Bauch, den ich optimistisch vor mir hertrug, doch ich verlor mein Kind in der elften Woche.

Dann, mit Anfang 40, fühlte ich mich immer öfter unvollständig. Fast so, als ob ich etwas Wichtiges übersehen hätte. Unser Leben: die immer gleiche Runde mit dem Hund, die immer gleichen Gesichter in der Nachbarschaft. Mein Mann und ich sprachen darüber. Er sagte, er könne sich vorstellen, eines Tages nach Spanien oder Frankreich auszuwandern. Mir zuliebe. Aber ich träumte nicht davon, woanders zu leben, ich wollte anders leben.

Zu realisieren, dass man einen Menschen vorbehaltlos liebt und sich dennoch selbst verliert, wenn man diesem Menschen zur Seite steht, ist schmerzvoll. Ich wusste: Wenn ich gehe, breche ich sein Herz. Wenn ich bleibe, riskiere ich meins. Dass ich mich am Ende dennoch zu einer Entscheidung durchgerungen habe, verdanke ich, sprichwörtlich, Mon Courage. So heißt meine kleine Naturkosmetikfirma, die ich nach einer Ausbildung zur Phytotherapeutin gegründet habe. Obwohl ich die längste Zeit meines Erwachsenenlebens in der Car- und Bike-Sharing-Branche erfolgreich war, wollte ich nach einer schweren Ohrenentzündung, durch die ich fast mein Gehör verloren hätte, mehr über Pflanzen und ihre Heilkraft lernen. Ich hatte die Idee, Hautpflegestifte für Reisende zu entwickeln, die nur die besten Pflanzenauszüge enthalten, denn so könnte ich mich auf die Suche nach den entsprechenden Inhaltsstoffen machen. Von der Idee bis zum ersten Produkt vergingen exakt neun Monate – eine Zeitspanne, die für mich Symbolkraft hat. Denn obwohl ich heute keinen Kinderwunsch mehr verspüre, gibt es immer noch Momente der Trauer. Was mich dann tröstet, ist der Gedanke, dass ein Kind zu bekommen auch heißt, etwas zu verlieren: Unabhängigkeit.

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel